Party durch Pendeln?- Freizeitmobilität junger Erwachsener im suburbanen Raum

Party durch Pendeln?- Freizeitmobilität junger Erwachsener im suburbanen Raum
Eigene Aufnahme Lea, am 01.09.2025

Es ist genau 00.25 Ortszeit, Regensburg Omnibusbahnhof, diffuses Licht von der insektenumschwirrten Straßenlaterne, abgestandener Dönerduft von der Bude nebenan. In fünf Minuten geht der letzte Bus ins „Kaff“1, obwohl die Party in der City noch in vollem Gange ist, was „Kaff-Pendelnden“ die Feierlaune gehörig vermiest.

Eine häufige Freizeitsituation für zahlreiche 18- bis 25-Jährige, welche im suburbanen Raum von Regensburg wohnen. Freunde treffen, Party machen oder gemeinsam Essen gehen in der Stadt sind mit Herausforderungen verbunden. Viele dieser jungen Erwachsenen haben sich durch ihr Studium oder ihre Ausbildung ein soziales Umfeld in der Stadt geschaffen, leben jedoch nicht in unmittelbarer Nähe der „City“. Regensburg ist nicht mehr nur ein Ausbildungsort, sondern auch Anker für ihre sozialen Kontakte– und das Pendeln wird zur notwendigen Verbindung zwischen Wohnort und Alltag. In diesem Beitrag soll insbesondere die soziale Freizeitgestaltung und die damit verbundenen Schwierigkeiten, aber auch Bewältigungsstrategien dieser Gruppe von jungen Erwachsenen im Mittelpunkt stehen.

Zwei Personen, die nachts auf den Bus am Regensburger Omnibusbahnhof warten. (Foto: Anna-Marie Riedel, aufgenommen am 15.08.2025)

Vorstellung von zwei „Kaff-Pendlerinnen“

Die Grundlage für diesen Blog bilden zwei Interviews mit zwei Studentinnen, welche beide im Landkreis Schwandorf leben und an der Universität in Regensburg studieren. Die Interviews fanden beide, begleitet durch einen Interviewleitfaden und spontane, situative Fragen, in der PT-Cafeteria an der Universität in Regensburg statt. Luzie F. ist 21 Jahre, studiert Zahnmedizin und lebt mit ihren Eltern und ihrer Schwester in einem Einfamilienhaus in Teublitz rund 28 Minuten mit dem Auto von Regensburg entfernt. Magdalena F. ist 22 Jahre alt, studiert Lehramt Gymnasium mit den Fächern Englisch, Geschichte und Sozialkunde und lebt mit ihrer Familie in einem Einfamilienhaus in Maxhütte-Haidhof in einer Distanz von etwa 25 Minuten zu Regensburg. Beide pendeln nach Regensburg sowohl für ihr Studium als auch für ihre Freizeitgestaltung.

Pendeln und Freizeit – Ein wissenschaftlicher Blick auf diese Begriffe

Doch was ist denn nun konkret unter Pendeln und Freizeit aus kulturwissenschaftlicher Sicht zu verstehen? Folgende Definitionen dienen als kurze theoretische Grundlage für diesen Beitrag und sollen ein gemeinsames Begriffsverständnis schaffen. Pendeln meint hier, dass Studierende außerhalb von Regensburg leben und nicht nur für das Studium, sondern auch für die Freizeit mittels Autos oder öffentlicher Verkehrsmittel in die Stadt fahren. Folgende Definition beschreibt, was unter dem Begriff Freizeit im Kontext dieses Beitrages gemeint ist: Freizeit ist die selbstbestimmte Zeit im Leben, in der ein Mensch nach Belieben aus verschiedenen Optionen frei auswählen kann, wie er seine Zeit verbringen möchte.2 Es ist der Freiraum außerhalb fester Verpflichtungen, der durch einen hohen Grad an Selbstbestimmtheit geprägt ist.3

Pendeln als Freizeitbremse – der Zeitaspekt als ein zentrales Kriterium in der Freizeitgestaltung

LUZIE D.: „[…] also heute ist ein gutes Beispiel tatsächlich, weil heute ist ja das Sommerfest von der Uni. Und ich komme aber erst ziemlich spät nach Hause vom Lernen von der Uni an sich. Und dann habe ich, da aktuell die Bahnstrecke gesperrt ist, eine sehr weite Anreise und habe dann quasi auch keine Lust mehr, abends nochmal nach Regensburg reinzufahren. Ich wäre, würde ich in Regensburg wohnen, vermutlich schon zum Beispiel zu dem Sommerfest gekommen. Aber ich habe heute wahrscheinlich keine Energie mehr. Und sowas passiert schon öfter, dass ich halt einfach keine Lust habe, wieder hin und her zu fahren. Und wenn es sich halt nicht rentiert, da zu bleiben, dann verpasse ich das, was halt dann abends ist manchmal.” 4

Diese Situation schildert Luzie D. auf die Frage, inwiefern ihr Wohnort Einfluss auf ihre Freizeitgestaltung nimmt. Dabei zeigt sich, dass für sie der durch das Pendeln verbundene Zeitaufwand ein zentrales Entscheidungskriterium für Freizeitaktivitäten in der Stadt bildet. Obwohl Luzie D. noch gerne das Sommerfest besucht hätte, halten sie nach einem langen Lerntag an der Universität fehlende Energie und die Distanz zu Regensburg von der Teilnahme ab. Für sie überwiegt in diesem Fall also der Wunsch nach Erholung nach einem langen Tag gegenüber dem Bedürfnis nach sozialer Teilhabe. Dabei ist sie nicht die Einzige, auch Magdalena F. erlebt ähnliche Einschränkungen in der Freizeitgestaltung durch ihren weiter entfernten Wohnort und beschreibt Folgendes auf die gleiche Frage:

MAGDALENA F.: „Also kommt jetzt darauf an, ob ich wirklich Lust darauf habe, jetzt hier Bus zu fahren. Das ist ein Faktor für mich. Und ob sich das halt überhaupt lohnt für mich. Wenn ich jetzt zum Beispiel um zehn oder so reinfahre und dann mit meinen Freunden unterwegs bin und dann halt wieder um halb eins heim muss, ob sich das überhaupt dann lohnt mit der Zeit.“ 5

Für Magdalena F. sind fehlende Busse in ihren Heimatort in den späten Abendstunden also eine Hemmschwelle für abendliche Aktivitäten in Regensburg. Das verdeutlicht, dass Zeit zu einer sozialen Ressource ähnlich wie zum Beispiel Geld wird. Pendelzeiten und eingeschränkte Fahrpläne von Bus und Bahn strukturieren die Freizeit von jungen Erwachsenen, die im suburbanen Raum leben. Die Teilhabe am Sozialleben in der Stadt wird so zu einer abwägenden Handlung mit diesem Gedankengang vorweg: Lohnt es sich zeitlich und habe ich wirklich Lust auf diese Aktivität? Das Sozialleben und damit verbundene Freizeitaktivitäten in der Stadt sind für sie also nur selektiv erlebbar nach einer vorangegangen „Aufwand-Nutzen“ Rechnung. Ein spontanes Treffen auf ein Feierabendbier an der Donau, wie es bei in Regensburg wohnende Studierende ohne einen größeren Aufwand beliebt ist, fällt für im Umland Lebende wie Luzie D. und Magdalena F. weg. Für sie steht vor jeder Fahrt in die Stadt eine Planung bezüglich Parkplätzen, aber auch Rückfahrtzeiten und nicht zu vergessen eine Abwägung des Nutzens an, was spontane Treffen erheblich limitiert. Da Pendeln für Luzie D. und Magdalena F. auch den universitären Alltag bestimmt, greifen sie auf ähnliche Strategien wie im Studium zurück: „Den typischen Pendler gibt es nicht – wohl aber einige jeweils mehr oder weniger häufig eingesetzte Strategien zur räumlichen Studiumsorganisation unter den Bedingungen des Pendelns, von denen die bedeutendste das ,Zeitsparen’ darstellt. Pendler sind in besonderem Maße darum bemüht, Anfahrtszeiten zu vermeiden bzw. ihren Stundenplan so zu organisieren und auf wenige Wochentage zu verdichten, dass sie nicht extra für eine einzige Lehrveranstaltung anreisen müssen – die Fahrt zum Campus muss sich ,lohnen’.“6 Diese Beobachtung, welche sich auf das studentische Pendeln zur Universität bezieht, lässt sich auch auf die Freizeit übertragen, beziehungsweise ausweiten. Beide Interviewten bestätigen, dass die Ersparnis von Zeit, aber auch „das sich Lohnen“ einer Fahrt nach Regensburg entscheidende Faktoren bei ihrer Freizeitgestaltung sind.

Bus, Auto oder Übernachten in der City?: Strategien zur Überwindung der Distanz beim Ausgehen

Abends noch länger in der Stadt unterwegs sein oder feiern ist für viele Studierende ein wichtiger Bestandteil ihrer Freizeit. Luzie D. berichtet, dass sie nicht jedes Wochenende feiern geht. Wenn sie sich jedoch dazu entscheidet in Regensburg abends länger auszugehen, hat sie eine bestimmte Strategie zu Überwindung der Distanz:

LUZIE D.: „Ich mache das dann oft so, dass ich, wenn ich tagsüber quasi mit dem Zug oder mit dem Bus gefahren bin, dass ich dann abends doch das Auto nehme, weil da auch die Parkplatzsituation besser ist, sage ich mal. […] Ja, ich bin dann einfach mobiler abends, weil ja auch die Busse dann nicht mehr so regelmäßig fahren.”7

Sie wechselt also das Fortbewegungsmittel, aufgrund fehlender öffentlicher Verkehrsmittel in den späteren Abendstunden und steigt auf das Auto um, ist dadurch aber auch dazu gezwungen auf Alkohol zu verzichten. Bei Freunden übernachten ist für sie meist keine Option.

Die Anzeigetafel am Regensburger Omnibus Bahnhof um 01:05 Uhr an einem Donnerstag (Foto: Anna-Marie Riedel, aufgenommen am 15.08.2025)

Da Magdalena F. beim Feiern meistens Alkohol trinkt, fällt für sie dann das Auto als Fortbewegungsmittel weg und sie ist von Bus oder Zug abhängig. Dabei berichtet sie von Situationen, wo sie zum Teil bis zu zwei Stunden am Hauptbahnhof auf den nächsten Zug warten musste.  Sie erzählt auch, dass sie genau wie Luzie D. ungern bei Freunden übernachtet und stattdessen dann bevorzugt den letzten Zug an diesem Abend zurücknimmt. Besonders die Tatsache, dass der letzte Zug in ihren Heimatort Maxhütte-Haidhof schon gegen 00:30 fährt, ist für sie sehr einschränkend, was ihre Freizeitgestaltung angeht. Insgesamt empfinden beide Befragten die nachts fehlenden Anbindung an ihre Wohnorte mittels öffentlicher Verkehrsmittel als eine Einschränkung. Beide geben an sich nachts eine bessere Verkehrsanbindung an ihren Wohnort zu wünschen. Das Bild weiter unten veranschaulicht die Situation nochmal, denn nach 01:00 Uhr morgens existieren keine Verbindungen von Regensburg in das weiter entfernte Umland wie zum Beispiel nach Teublitz oder Maxhütte-Haidhof. Trotzdem helfen Strategien wie beispielsweise der Umstieg auf das Auto nachts, bei der Überwindung der Distanz und ermöglichen so auch neben Vorlesungen und Seminaren ein Sozialleben in Regensburg selbst.

Chillen im Kaff oder Kaffee in der Stadt?: Freizeittreffpunkte in Regensburg und dem Heimatort

Der McDonald’s in Burglengenfeld (Foto: Anna-Marie Riedel, aufgenommen am 25.08.2025)

Das “Charlie’s” in Regensburg (Foto: Anna-Marie Riedel, aufgenommen am 07.08.2025)

Wo verbringt diese pendelnde Gruppe von jungen Erwachsenen aber nun ihre Freizeit konkret- in Regensburg oder doch in Heimatnähe? Für Magdalena ist das der lokale McDonald’s in der Nähe des Heimatortes:

INTERVIEWERIN: Gibt es da so einen Lieblingsort, den du da hast? Egal, in deinem Heimatort oder in Regensburg?

MAGDALENA F.: Boah, ich sage jetzt wirklich ganz basic, einfach Mecces in Burglengenfeld. Also da treffen wir uns halt echt öfter, als wir eigentlich sollten.” 8

Hier zeigt sich, dass für die Befragte der McDonald’s im Wohnort einen niederschwelligen Treffpunkt darstellt. Das Fast Food Restaurant ist fast immer geöffnet und ist somit ein unkomplizierter, immer verfügbarer und naher Treffpunkt. Besonders da der Heimatort von Magdalena F. sonst wenige Freizeitangebote bietet, wird für sie der nächstgelegene McDonald’s so zum sozialen Treffpunkt.

Viele der Freunde von Luzie D. leben in Regensburg selbst, weshalb die Stadt hier der Ort für die meisten sozialen Treffen ist. Dabei schätzt sie insbesondere das gastronomische Angebot in der Stadt, da mit Freunden Essen gehen eine beliebte Freizeitaktivität für sie ist. Besonders hebt Luzie D. dabei das Café und Restaurant „Charlie´s “ hervor, das sie gerne besucht.  Aber auch das Fußballstadion der Stadt und die Innenstadt im Allgemeinen sind Freizeitorte für sie. Generell zeichnet sich hier ein gemischtes Bild der Freizeitgestaltung, das einerseits von suburbanen Treffpunkten, wie dem lokalen McDonald’s und andererseits von urbaner Vielfalt, wie dem gastronomischen Angebot in der Innenstadt geprägt ist. Selbstgeschaffene Treffpunkte in den Wohnorten selbst wie „Haisl“, Buden und Bauwagen spielen für die hier Befragten aber keine Rolle.

Fazit

Die Frage, ob Luzie D. und Magdalena F. planen in nächster Zeit noch auszuziehen, verneinten beide aufgrund der hohen Mietkosten in Regensburg. Das Uni- und Freizeitpendeln prägt das persönliche Selbstverständnis der hier Befragten, wobei praktische und finanzielle Gründe – nicht jedoch eine besondere Heimat- oder Familienverbundenheit – ausschlaggebend für das Wohnen außerhalb Regensburgs sind. Allgemein lässt sich feststellen, dass das Freizeitverhalten der beiden Befragten vom gängigen Stereotypen einer studentischen „partying culture“, die meist Trinken oder Tanzen beinhaltet9, abweicht. Stattdessen prägt eine „Aufwand- Nutzen Rechnung“ vor dem Weg in die Stadt die Freizeit von Luzie D. und Magdalena F.  

Dabei stellt sich die Frage, warum die Alltagsrealität dieser Studentinnen keinen Eingang in die Narrative des akademischen Habitus findet. Eine mögliche Erklärung könnte sein, dass das verbreitete Bild einer studentischen Lebensweise – bestehend aus dem Wohnen in der Stadt und dem damit verbundenen Feiern sowie häufigem Zusammenkommen im Freundeskreis -, nicht in den tatsächlichen Alltag der hier befragten Gruppe an pendelnden Studierenden passt. Die urbane „Partykultur“ und allgemeine Geselligkeit stellt ein Symbol des studentischen Alltags dar, wohingegen Party durch Pendeln und das auch nur, wenn es sich „lohnt“, dazu im Widerspruch steht. Hier zeigt sich, dass dieses Narrativ strukturelle Einschränkungen ausblendet, wie zum Beispiel hohe Mieten in der Stadt oder die unzureichende Anbindung mittels öffentlicher Verkehrsmittel. Die studentische Lebensrealität der hier Befragten bleibt somit unsichtbar.

  1. Der Begriff „Kaff“ meint hier eine umgangssprachliche, abwertende Bezeichnung für eine kleine, langweilige Ortschaft, beziehungsweise Kleinstadt. Vgl. Dudenredaktion: „Kaff“. Online auf: www.duden.de (https://www.duden.de/rechtschreibung/Kaff_Dorf, besucht am 21.08.2025). ↩︎
  2. Vgl. Carius, Florian/ Gernig, Björn: Was ist Freizeitwissenschaft. Konzeption-Entwicklungsstand-weltweiter Vergleich (Schriften zur Bildungs- und Freizeitwissenschaft, Bd.4).  Aachen 2010, S.37. ↩︎
  3. Vgl. Ebd. ↩︎
  4. Zitat aus dem Interview mit Luzie D. vom 26.06.2025, geführt von Anna-Marie Riedel, Minute: 00:06:36 ↩︎
  5. Zitat aus dem Interview mit Magdalena F. vom 02.08.2025, geführt von Anna-Marie Riedel, Minute 00:11:06. ↩︎
  6. Gothe, Kerstin/ Pfadenhauer, Michael: My Campus- Räume für die „Wissensgesellschaft?“. Raumnutzungsmuster von Studierenden (Erlebniswelten, Bd. 18). Wiesbaden 2010, S.46. ↩︎
  7. Zitat aus dem Interview mit Luzie D. vom 26.08.2025, geführt von Anna-Marie Riedel, Minute 00:09:33. ↩︎
  8. Zitat aus dem Interview mit Magdalena F. von 02.08.2026, geführt von Anna-Marie Riedel, Minute 00:07:10. ↩︎
  9. Vgl. Tolba, Nasser: Student Culture in a Changing World. The Paradox of Politics, Education, and Religion (KINDHEIT – FAMILIE – PÄDAGOGIK, Bd. 4). Baden-Baden 2019, S.39. ↩︎