Mehr als bloße Zier: Die Bedeutung von Dekoobjekten im Außenbereich am Beispiel des suburbanen Raums Regensburgs
Wer an Dekoration im Außenbereich denkt, hat vielleicht sofort Gartenzwerge oder ein auffälliges Willkommensschild vor Augen. Diese scheinbar banalen Zierobjekte entpuppen sich bei genauerem Hinsehen als durchaus bedeutungsträchtige Dinge. Der folgende Beitrag widmet sich deswegen folgenden Fragen: Welche Beweggründe stecken hinter der individuellen Gestaltung des Außenbereichs – und erfüllen die Dekorationen neben ihrer ästhetischen Funktion noch weitere Zwecke? Im Fokus steht der suburbane Raum Regensburgs.
Suburbane Strukturen am Rand von Regensburg

Suburbanisierung bezeichnet allgemein die Ausdehnung städtischer Siedlungen über die Grenzen der Kernstadt hinaus ins Umland. Diese Ausweitung betrifft sowohl administrative als auch siedlungsstrukturelle Grenzen.1 Ein Beispiel für den suburbanen Raum in Regensburg ist der im Südwesten liegende Ortsteil Graß. Der Stadtteil war früher durch die landwirtschaftliche Nutzung geprägt und wurde mit der Ansiedlung des Universitätsklinikums 1977 ein Stadtteil Regensburgs. Heute prägen vor allem in den 1960er- und 1970er-Jahren gebaute Mehrfamilienhäuser das Ortsbild – typisch für viele suburbane Gebiete. 2
Welche Bedeutung die Gestaltung des Außenbereichs im suburbanen Alltag haben kann, verdeutlicht ein Gespräch mit Heidrun B. Die Interviewpartnern arbeitet an der OTH Regensburg und lebt seit dreieinhalb Jahren mit ihrem Mann und zwei Kindern (12 und 14 Jahre) in Graß. Obwohl sie ursprünglich eine städtische Umgebung erwartet hatte, empfindet sie den Stadtteil heute als ländlich und schätzt die gute Anbindung in die Innenstadt. Im Rahmen eines Gesprächs und eines gemeinsamen Rundgangs um das Haus und durch die Ortschaft erläuterte sie die Bedeutung ihrer Außendekoration.
Von Fund- zu Erbstücken – Wie Deko ihren Platz findet.
Die dekorativen Elemente im Außenbereich des Hauses meiner Interviewpartnerin haben auf unterschiedliche Art und Weise ihren Platz in den Vorgarten gefunden. Im Gespräch mit der Bewohnerin wurde deutlich, dass die Auswahl der Dekoobjekte keineswegs immer geplant oder nach einem bestimmten Konzept erfolgt. Als Inspirationsquelle dienen ihr Eindrücke aus dem Urlaub – zum Beispiel ein schöner Hängestuhl im Hotel – sowie Ideen, die sie auf Plattformen wie Pinterest findet. Oft jedoch entstehen solche Gestaltungen dann eher beiläufig, viele Objekte sind Zufallsfunde und kein Ergebnis einer gezielten Suche.
Die vor dem Haus befindlichen Objekte haben unterschiedliche Ursprünge: Einige – wie eine Eisenskulptur, ein Steintrog und eine Muschel – sind Überbleibsel der früheren Hausbesitzerin und bereits vor dem Einzug von Heidrun B. vor dreieinhalb Jahren vorhanden: „Diese schweren Steinsachen, die waren schon hier – und eigentlich alles, was aus so Eisen ist“, erzählt die Bewohnerin. Andere Objekte stammen aus Erbschaften, etwa ein Eisengestell, während wiederum andere als Geschenke, darunter zwei Sauerkrauttöpfe, übergeben wurden. Viele ihrer Dekostücke erzählen eine lange Geschichte; in der Alltagsforschung spricht man dabei von der Objektbiografie. Diese verknüpft den materiellen Gegenstand jenseits der ästhetischen Komponente mit einer Objektbedeutung. 3
Einige natürliche Objekte, wie etwa ein 35-jähriger Apfelbaum, haben durch den Verlust ihrer Funktionalität eine neue Bedeutung als Dekoobjekte erhalten. Der Baum trägt keine Rinde mehr und keine Blätter, steht aber weiterhin als Gestaltungselement im Garten. Materielle Dinge, selbst wenn sie nicht mehr funktional im klassischen Sinne sind, können Ordnung und Orientierung im Alltag schaffen – besonders dann, wenn sie durch eine lange Präsenz vertraut geworden sind. Dies ist wohl auch ein Grund dafür, warum der alte Apfelbaum noch heute als Objekt im Garten geschätzt wird. 4
Die Bewohnerin erzählt außerdem, dass einige Objekte nicht statisch bleiben, sondern saisonal neu inszeniert werden. Beispielsweise wird ein geerbtes Eisengestell im Winter mit einer Lichterkette aufgepeppt, während Blumentöpfe mit Jute-Säcken umhüllt und mit Tannenzweigen dekoriert werden. Solche Gestaltungspraktiken stehen exemplarisch für das, was in der Forschung zur materiellen Kultur als Aneignung bezeichnet wird: Durch die materielle Umgestaltung erhalten die Gegenstände eine persönliche Bedeutung. 5
Ästhetisches Mittel oder Distinktion: Welche Zwecke Außendeko erfüllt
Dekoration erfüllt vielfältige Funktionen, wobei die Wahl ästhetischer Objekte bei Heidrun B. von verschiedenen Faktoren geprägt ist: „Mir ist es wichtig, dass das auch zum Stil vom Haus passt“ – die visuelle Kohärenz spielt für die Bewohnerin eine große Rolle. Die Gestaltung des Außenbereichs soll mit der Ästhetik des Hauses in Einklang stehen und ein stimmiges Gesamtbild ergeben.
Heidrun B. berichtet auch, dass ihre ästhetische Wahrnehmung stark von den Dekorationen ihrer Eltern geprägt sind. “Vielleicht gefällt mir die Deko deshalb, weil es was Ähnliches ist wie bei meinen Eltern”, erzählt sie mit Blick auf Rosen und Efeu, die um ein Rankgitter im Garten wachsen.
Neben ästhetischen Aspekten betont die Bewohnerin auch die beruhigende Wirkung der Außendekoration: “Wenn man die anschaut, strahlt das schon so eine Ruhe aus”, sagt sie beispielsweise über die Eisenskulptur und unterstreicht damit die Bedeutung der durch die Dekoration erzeugten Stimmung. Gleichzeitig stellt sie klar, dass die Gestaltung keinen repräsentativen Zweck für Außenstehende erfüllen soll: ‚Es muss jetzt nichts Auffallendes sein, es soll wirklich ein Rückzugsort für die Familie sein.”
Im Gespräch verweist die Bewohnerin auf die nahegelegene Neubausiedlung in Graß, wo sie den Außenbereich vieler Häuser als bewusst standardisiert und repräsentativ gestaltet wahrnimmt. Die Dekoration scheint dort eher dazu zu dienen, Wohlstand und sozialen Status nach außen zu kommunizieren. In diesem Fall können die bewussten Gestaltungsentscheidungen eine Form der Distinktion darstellen, bei der die Wahl der Außendekoration als Zeichen der sozialen Zugehörigkeit genutzt wird. 6
Während die meisten Dekoobjekte das ganze Jahr über sichtbar sind, gibt es bei Heidrun B. einige Elemente, die nur zu bestimmten Anlässen hervorgeholt werden: „Was hier in der Siedlung ganz stark gefeiert wird, was echt ganz lustig ist, ist Halloween […] da hängen dann die Leuchtkürbisse in den Bäumen“. Im Gespräch wird deutlich, dass diese zeitlich begrenzten Dekorationen nicht ausschließlich aus eigenem Antrieb erfolgen: „Da ist, glaube ich, auch ein bisschen Gruppenzwang dabei“, erzählt die Bewohnerin lachend und verweist auf die vielen Kinder in Graß. Neben der Gestaltung an Halloween wird an Weihnachten ein hölzerner beleuchteter Christbaum vor die Tür gestellt, um den dunklen Wintertagen mit Gemütlichkeit zu trotzen.
“Wie die Menschen denken und leben, so bauen und wohnen sie.” – Johann Gottfried von Herder
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Dekoobjekte auf unterschiedliche Weise ihren Weg in den Außenbereich gefunden haben – manches wurde von der Vorbesitzerin übernommen, geerbt, geschenkt oder ist Heidrun B. eher zufällig in die Hände gefallen. Viele dieser Objekte zeichnen sich durch eine lange Präsenz aus und bleiben über Jahre hinweg Teil der Gestaltung. Neben den dauerhaften Objekten gibt es auch einzelne Stücke die im Keller darauf warten, an Halloween oder Weihnachten zum Einsatz zu kommen.
Wie eingangs erwähnt hat das Gespräch gezeigt, dass die Dekoration nicht als bloße Zierde zu sehen ist, sondern die Objekte für Heidrun B. aus unterschiedlichen Gründen bedeutungstragend sind. Die Dekoration steht nicht ohne Grund im Außenbereich von Heidrun B., sie macht die eigene Individualität sichtbar und damit den Außenbereich zu einem identitätsstiftenden Ort. Darüber hinaus schafft das Gestalten der Natur im Außenbereich des Hauses Struktur, was zu einem Gefühl von Sicherheit und Ordnung führt. Somit hat das Dekorieren wohl dazu beigetragen, dass sich das neue Haus schnell zu einem persönlichen Zuhause wandelte – einem Ort, mit dem sich die Bewohnerin identifizieren kann.
Fußnoten
- Hesse, Markus: Suburbaner Raum – Annäherungen an Gegenstand, Inhalte und Bedeutungszuweisungen. In: Schenk, Winfried [u. a.]: Suburbane Räume Als Kulturlandschaften. Hannover 2012, S. 13-24, hier S. 14. ↩︎
- Bauer, Karl. Regensburg: Kunst-, Kultur- Und Alltagsgeschichte. 5., erweiterte und verbesserte Auflage. Regensburg 1997. S. 620. ↩︎
- Hahn, Hans Peter. Materielle Kultur: Eine Einführung. Dritte, überarbeitete Auflage. Berlin 2014. S. 41. ↩︎
- Hahn, Hans Peter. Materielle Kultur: Eine Einführung. Dritte, überarbeitete Auflage. Berlin 2014. S. 37. ↩︎
- Hahn, Hans Peter. Materielle Kultur: Eine Einführung. Dritte, überarbeitete Auflage. Berlin 2014. S. 100. ↩︎
- Hahn, Hans Peter. Materielle Kultur: Eine Einführung. Dritte, überarbeitete Auflage. Berlin 2014. S. 59. ↩︎