Bewegte Zeiten. Das FMO in den Jahren 2020 und 2021

Die vergangenen eineinhalb Jahre waren für das Freilandmuseum Oberpfalz durch die Auswirkungen und Herausforderungen der CoVID-19-Pandemie sowie die Weiterentwicklung des Museums auf Basis des Rahmenplans „FMO 2030“ geprägt. Im Folgenden sollen die wichtigsten Projekte und Veränderungen im Freilandmuseum Oberpfalz kurz skizziert werden.

Pandemie

Aufgrund des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 musste die Saisoneröffnung abgesagt werden und das Museum geschlossen bleiben. Um die Besucherinnen und Besucher dennoch zu erreichen, entwickelte das Museum in sehr kurzer Zeit einen virtuellen Rundgang durch das Stiftlanddorf (rundgang.freilandmuseum-oberpfalz.de) sowie das Live-Stream-Format „Ratsch übern Gartenzaun“ auf facebook. Lediglich der Bauernmarkt in Perschen konnte als Lebensmittelmarkt und durch eine Verlagerung in den öffentlichen Raum und mit Hygieneregeln wie geplant stattfinden. Erst am 12. Mai 2020 durfte das Freilandmuseum Oberpfalz seine Pforten öffnen und in die Saison starten. Die Gastronomie bewirtete ab 18. beziehungsweise 25. Mai 2020 wieder Gäste.

Voraussetzung für die Öffnung des Museums war ein detailliertes und mit dem Gesundheitsamt Schwandorf abgestimmtes und laufend auf die immer wieder neuen Verordnungen aktualisiertes Hygienekonzept. Parallel wurden – soweit dies möglich war – Veranstaltungs- und Vermittlungsformate pandemiekonform neu konzipiert. Aus den Museumsführungen entwickelten sich etwa die so genannten „Museumsentdeckungen“ im Rahmen derer sich die Besucherinnen und Besucher nicht in Gruppen mit einer Vermittlungskraft, sondern individuell von Station zu Station durch das Gelände bewegen. Auch wenn die kontinuierliche Weiterentwicklung und Anpassung des Hygiene- und Öffnungskonzeptes sehr arbeitsintensiv war, so ist das Museum vor allem dank des Verständnisses und der Disziplin der Besucherinnen und Besucher insgesamt sehr gut mit den Herausforderungen der Pandemie zurecht gekommen. Selbst Tage, an denen über 1.000 Besucherinnen und Besucher gezählt wurden, liefen vollkommen unproblematisch ab. Aufgrund der durchweg positiven Erfahrungen war die erneute Schließung des Museums im Rahmen des „Lockdown Lights“ ab 2. November 2020 umso bedauerlicher, vor allem da damit die bereits geplante Verlängerung der Museumssaison bis Weihnachten und das Abhalten des neu konzipierte „Kathreinmarkts“ nicht mehr möglich waren. Auch im Jahr 2021 verzögerte sich der Start in die Museumssaison aufgrund des zweiten Lockdowns, bis in den April hinein. Erst am 28. April sank die ausschlaggebende 7-Tage-Inzidenz im Landkreis Schwandorf erstmalig unter dem Wert 100, weshalb das Freilandmuseum Oberpfalz am folgenden  Wochenende hin wieder öffnen konnte.

Die Pandemie und die Lockdowns waren für das Museum jedoch nicht nur eine Belastung, sondern boten dem Haus auch neue Chancen und Möglichkeiten. Zum einen konnten während der erzwungenen Schließung Arbeiten und Projekte in Angriff genommen werden, die im normalen Betrieb sonst kaum möglich gewesen wären. Vor allem aber hat das Museum eine ganze Reihe von Fördermitteln aus den unterschiedlichen Töpfen akquirieren können, welche es ermöglichten, insbesondere im Bereich der der digitalen Angebote, einen großen Schritt nach vorne zu gehen, etwa mit dem neuen virtueller Museumsrundgang oder dem Audioguide. Aber auch die Erschließung des Obergeschosses im Ausstellungsgebäude mit einem Treppenlift oder die Ausstattung des gesamten Geländes mit Desinfektionsmittelspendern wurde durch die entsprechenden Förderprogramme möglich. 

FMO 2030

Das zweite große Thema, welches im Jahr 2020 im Fokus der Museumsarbeit stand, war die konzeptionelle Weiterentwicklung des Freilandmuseums Oberpfalz. Das Ziel dieses Prozesses war es, einen Ausgangspunkt zu definieren, auf dessen Basis das Museum in Zukunft laufend seine Positionen und Ziele reflektiert und sich stetig weiterentwickelt. In einem derartigen Strategieprozess sollte eine möglichst große Zahl von „Stakeholdern“ des Museums mit eingebunden werden.

Ausgehend vom 2016 von der damaligen Museumsleitung vorgelegten Positionspapier begann der Diskussionsprozess am 22. Januar mit einem „World Café“ unter Teilnahme aller Beschäftigten. In dessen Rahmen wurden sowohl der Ist-Zustand des Museums, als auch die Zielvorstellungen für die Zukunft im Team entwickelt. Weiterer Input lieferten Termine mit Vertreterinnen und Vertretern des Museumsvereins, der Stadt Nabburg, der Bezirksheimatpflege sowie mit Fachleuten aus dem Museumsbereich sowie das Projektseminar „Quo vadis Freilandmuseum?“, welches Museumsleiter Tobias Hammerl im Rahmen eines Lehrauftrages im Sommersemester 2020 an der Universität Regensburg hielt.

Das Konzeptpapier „FMO 2030“ und der daraus abgeleitete Maßnahmenplan wurde dem Bezirkstag im Rahmen der Sitzung am 22. September 2020 im Freilandmuseum Oberpfalz vorgestellt und beschlossen. FMO 2030 bildet für einen zeitlichen Horizont von 10 Jahren die Leitlinien für das Freilandmuseum Oberpfalz und steht auf der Homepage des Museums als Download im Volltext zur Verfügung. Alternativ ist FMO 2030 im Museum auch in Papierform erhältlich.

Neue Gebäude im Freilandmuseum Oberpfalz

Viehwaage und Waaghäuschen aus Neunkirchen, Stadt Weiden

In den Jahren 2020 und 2021 konnten zwei neue Gebäude in das Museumgelände transloziert werden. Zum einen eine kommunale Viehwaage, BJ. ca. 1955 aus Neunkirchen, Stadt Weiden. Die Viehwaage in Neunkirchen ist eines der letzten Zeugnisse einer gemeinschaftlich genutzten öffentlichen Wiegeanlage, mit behördlicher Eichpflicht. Noch bis in die 80er Jahre des 20. Jahrhunderts waren quasi in jedem Dorf solche Viehwaagen anzutreffen. Aufgrund des Wandels in der Landwirtschaft werden diese Waagen gegenwärtig vielerorts nicht mehr gebraucht und abgebaut. Das Museum ist der Stadt Weiden sehr dankbar für die Schenkung dieses Objektes.

Abbau der Viehwaage in Neunkirche, Stadt Weiden (Foto: Christian Wundsam, FMO)
Abbau der Viehwaage in Neunkirche, Stadt Weiden (Foto: Christian Wundsam, FMO)

Stadel, BJ. 1937 aus Frotzersricht, Markt Schwarzenfeld

Ein weiteres neues Gebäude auf dem Museumsgelände ist ein Stadel aus Frotzersricht, Markt Schwarzfeld, Landkreis Schwandorf. Das Gebäude hat eine Grundfläche von 12×12 Meter und eine Firsthöhe von ebenfalls 12 Meter. Die originalen Baupläne sowie die Genehmigungsplanung liegt vor.

Der Stadel ist ein schönes Beispiel für die in den 1930er Jahren beginnende und seitdem stetig anhaltende Vergrößerung von landwirtschaftlichen Gebäuden. Auch in der Oberpfalz wurden ab diesem Zeitpunkt verstärkt Maschinen, etwa Binde- oder Balkenmäher, Kartoffelernte- und Sähmaschinen sowie mit stationären Motoren betriebene Maschinen und Werkzeuge eingesetzt. Diese Gerätschaften benötigten jedoch Platz, weshalb die Stadel auf den Höfen größer gebaut mussten. Zudem glaubten viele Landwirte, dass mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 und deren „Blut und Boden“-Ideologie auch die Agrarkrise der Weimarer Republik überwunden werden würde und waren deshalb eher bereit in neue, größerer Gebäude zu investieren.

Abbau des Stadels Frotzersricht, Markt Schwarzenfeld (Foto: Tobias Hammerl, FMO)
Abbau des Stadels Frotzersricht, Markt Schwarzenfeld (Foto: Tobias Hammerl, FMO)

Errichtung des LernHofs Köstlerwenzel

Die Museumspädagogik des Freilandmuseums Oberpfalz verfügt derzeit zur Durchführung von Programmen und Workshops über lediglich einen Raum im Obergeschoss eines translozierten Gebäudes, dem „Denkenbauernhof“. Aufgrund der historischen Bausubstanz, der schwierigen Erreichbarkeit über eine schmale Stiege, der aufgrund der kleinen Fensteröffnungen mangelhaften natürlichen Belichtung, der niedrigen Decken und der fehlenden Heizung erfüllt dieser Raum nicht mehr die Anforderungen einer zeitgemäßen Vermittlungsarbeit. Die Maßnahme wurde dem Kulturausschuss in seiner Sitzung am 07.10.2020 vorgelegt und beschlossen.

Für die Planung des Neubaus konnte im Rahmen eines Forschungsprojektes der Architekt Max Otto Zitzelsberger, Junior-Professor für Tektonik im Holzbau an der TU Kaiserslautern, vormals akademischer Rat bei Florian Nagler an der TU München, gewonnen werden. Planer und Museum formulierten gemeinsam die Planungsziele.

  1. Funktion und Gestaltung: vorrangig ist die Unterbringung des seitens der Vermittlung aufgestellten Raumprogramms mit barrierefreien Gruppenräumen und Übernachtungsmöglichkeit für Gruppen und Schulklassen, WCs und Lagerräumen. Die Gestaltung und das Selbstverständnis des Gebäudes werden aus dem historischen Vorgängerbau entwickelt. Ziel ist es, ein einfaches, dem gestalterischen Duktus und der inhärenten Logik eines Oberpfälzer Wohnstallhauses entsprechendes Bauwerk, welches sich in den Bestand des Museumsgeländes einfügt, zu entwerfen.
  2. Nachhaltigkeit: Das Gebäude soll mit nachwachsenden lokalen und regionalen Rohstoffen, und mit möglichst wenig „grauer Energie“ errichtet und betrieben werden. Idealerweise bindet es sogar CO2. Das Gebäude soll möglichst wenig Fläche versiegeln sowie vollständig reversibel und recyclebar sein.
  3. Einfachheit: das Gebäude wird mit den Mitteln des Museumsbauhofes handwerklich errichtet. Es verfügt über möglichst wenige und klein dimensionierte technische Anlagen. Die Folgekosten für Energie, Reinigung und Instandhaltung sollen minimiert werden.

Die vorliegende Entwurfsplanung sieht ein klassisches Satteldachhaus in Holzbauweise mit zwei Anbauten vor. Das Gebäude gründet auf einem kostengünstigen und nur wenig Bodenfläche versiegelnden Punktfundament. Die Luftschicht zwischen Erdboden und Gebäude bietet zudem eine zusätzliche Isolation gegen Kälte und Feuchtigkeit und ist Teil des konstruktiven Holzschutzkonzeptes, welches im gesamten Gebäude zur Anwendung kommt.

Ansicht Giebelseite: Die Fassade des Hauptbaukörpers wird mit Lehmschindel bedeckt. Entwurf: Max O. Zitzelsberger
Ansicht Giebelseite: Die Fassade des Hauptbaukörpers wird mit Lehmschindel bedeckt. Entwurf: Max O. Zitzelsberger

Besonders erfreulich ist, dass der Rohbau des Köstlerwenzel vollständig mit Holz aus dem Museumsgelände errichten werden wird. Das Holz wurde im Winter 20/21 auf dem Museumsgelände eingeschlagen und auch vor Ort mit einer mobilen Säge weiterverarbeitet. Im Winter 2021/22 soll das Bauwerk in der Zimmerei abgebunden werden. Auf den im Frühjahr 2022 errichteten Fundamenten soll dann im Laufe des Jahres der Rohbau errichtet werden.

Großgerätedepot

Mit dem Bau des Zentraldepots wurden für kleine und mittelgroße Museumsobjekte baulich die Voraussetzungen für eine präventive Objekterhaltung auf hohem konservatorischem Niveau geschaffen, so dass der Untergang von Kulturgut oder kostenintensive Restaurierungsmaßnahmen seither vermieden werden konnten.

Während sich die Depotsituation für Klein- und Mittelobjekte folglich sehr verbessert hat, so ist es um die Aufbewahrung der Großobjekte und -geräte gegenwärtig sehr schlecht bestellt. Alle Großobjekte wie Kutschen, Schlitten, Wagen, Pflüge sind derzeit unter nicht haltbaren Bedingungen gelagert. Eine große Zahl von landwirtschaftlichen Geräten belegen zudem öffentlich zugängliche Bereiche des Museumsgeländes, aber auch Dachböden oder behelfsmäßige Hallen auf dem Waldgrundstück.

Nach entsprechenden Vorarbeiten wurde am 7.10.2020 das Projekt dem Kulturausschuss vorgestellt. Dieser beauftrage das Museum mit der Erstellung eines Anforderungs- und Funktionsprofils sowie einer Standortanalyse. Die Ergebnisse werden dem Kulturausschuss am 7.10.2021 vorgestellt. Von Seiten des Museums ist geplant, im kommenden Jahr das Projekt bis zur Baugenehmigung voranzutreiben. Problematisch ist jedoch, dass einer der größten Fördergeber des Museums, das Programm ELER der EU, aufgrund geänderter Förderbedingungen keine Gelder mehr zur Verfügung stehen wird, weshalb die Finanzierung des Projektes noch eine großer Herausforderung darstellen wird. 

Neuer Museumsname und neues Corporate Design

In Zusammenarbeit mit der Regensburger Kommunikationsagentur Janda & Roscher wurde das Corporate Design des Freilandlandmuseums vollständig neu aufgesetzt. Dies war Voraussetzung für das neue Besucherinformationssystem und den Relaunch der Homepage. Im Zuge dieses Projektes wurde auch der Name des Museums in „Freilandmuseum Oberpfalz“ geändert. Hintergrund war, dass der Doppelname „Neusath-Perschen“ bei ortsunkundigen Besuchern oft für Verwirrung gesorgt hat und das „ä“ in „Oberpfälzer“ nur bedingt „internettauglich“ ist. Der neue Name ist prägnanter und bringt auch den Anspruch des Museum „das“ Freilandmuseum der Oberpfalz zu sein, besser zum Ausdruck.

Neues Besucherleitsystem

„Die Beschilderung im Freilandmuseum Oberpfalz war seit den späten 1980er bzw. frühen 1990er Jahren technisch und inhaltlich weitgehend unverändert geblieben. Die Folgen hiervon waren deutlich sichtbar: Viele der Schilder waren seit mehreren Jahren nicht mehr lesbar, andere Schilder waren durch Hilfskonstruktionen mit laminierten Blättern ersetzt worden und viele Inhalte waren überholt. Hiervon war auch die Informationsvermittlung an die Besucherinnen und Besucher stark beeinträchtigt.

Hierzu wurden mit Blick auf die Bedürfnisse der Besucher und das neue Corporate Design die Inhalte sowie die Gestaltung der einzelnen Schildertypen überarbeitet. Als schwierig erwies sich hierbei vor allem die unterschiedliche Qualität der Unterlagen, die in der Vergangenheit zu den einzelnen Gebäuden angelegt worden waren. Während bei einzelnen Gebäuden umfangreiche Interviews mit den letzten Bewohnern geführt worden waren, fehlten diese bei anderen Gebäuden. Auch andere Informationen, etwa die Wiederaufbaudauer der Gebäude oder Informationen über den Aufbau der Siedlungsabschnitte konnten teilweise nur über Umwege ermittelt werden.

Trotz dieser Komplikationen war es möglich, bis zur Mitte des Jahres 2020 die inhaltlichen Arbeiten an der Neubeschilderung abzuschließen und die Trägerelemente für die einzelnen Schilderarten zu beschaffen und aufzustellen. Ein Abschluss der Maßnahme erfolgt noch in diesem Jahr. Die Umsetzung der Neubeschilderung wird zu 50% mit Mitteln aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung gefördert.“

Begasung der Museumsgebäude

Das Freilandmuseum beobachtet kontinuierlich die Schadensbilder an den Holzteilen der Museumsgebäude. Der Befall der Gebäude mit Holzschädlingen ist  grundsätzlich nicht vermeidbar, sollte aber gewisse Schwellenwerte nicht überschreiten und vor allem keinen substanzielle Verluste nach sich ziehen. Deshalb wurde seitens der Sammlungsleitung des Museums ein Begasung jedes Gebäudes vorgeschlagen. Da das Projekt insgesamt einen Umfang im hohen sechsstelligen Bereich hat, wird die Begasung über mehrerer Jahre verteilt erfolgen. Begonnen wurde 2020 mit der Baugruppe Oberpfälzer Wald, deren Gebäude aufgrund des hohen Holzanteils der Waldlerhäuser besonders für den Befall von Holzschädlingen anfällig sind. 2021 wird die Begasung im Juradorf fortgesetzt.

Tobias Hammerl, Dr. phil., M.A., geboren 1977, leitet seit 2020 das Freilandmuseum Oberpfalz. Er studierte Volkskunde, Scottish Ethnology, Geschichte und Kunstgeschichte an den Universitäten Regensburg und Edinburgh. Von 2006 bis 2019 war er Leiter des Stadtmuseums Abensberg. Er nahm in der Vergangenheit Lehraufträge an der Universität Passau wahr und war Gastdozent an der Universität Würzburg. Derzeit ist er Lehrbeauftragter am Lehrstuhl für Vergleichende Kulturwissenschaft an der Universität Regensburg. Seine Forschungsschwerpunkte sind Spiel-, Bild- und Sachkulturforschung sowie museologische Themen.