FSJ-Projekt: Der “Bärenhof” – Modell und Original im Vergleich

Das Freilandmuseum Oberpfalz bietet die Möglichkeit an, ein freiwilliges soziales Jahr (kurz FSJ) in der Denkmalpflege zu absolvieren. Dieses FSJ soll jungen Menschen einen Einblick in verschiedene Berufsfelder geben, um die Entscheidung für eine Ausbildung oder ein Studium zu erleichtern. Bei einem FSJ im Freilandmuseum Oberpfalz werden die Teilnehmer in mehrere Bereiche eingearbeitet: sie lernen die Handwerksberufe kennen, unterstützen die Landwirte und Landwirtinnen und beteiligen sich an der Arbeit im Depot. Im Zuge dieses Jahres können auch Projektarbeiten angefertigt werden. Riccarda Ullrich, die im Jahr 2023/24 ein FSJ absolvierte, setzte sich beispielsweise mit der Geschichte des Modells eines Vierseithofes auseinander.

Im Rahmen ihrer Arbeit im Museumsdepot stieß sie auf das Modell, vermaß es und verglich es mit dem Original-Bau, der noch vorhanden ist.

Der „Bärenhof in Egerteich“ im Landkreis Tirschenreuth ist mehr als nur ein Modell – es ist eine faszinierende Zeitreise in die Welt eines traditionellen Vierseithofs. Im Maßstab 1:50 präsentiert das dreidimensionale Modell eine detailgetreue Nachbildung der gesamten Hofanlage, komplett mit Hauptgebäude, Nebengebäuden, Innenhof und sogar einem kleinen Nutzgarten. Das Hauptgebäude des Hofes besteht aus einem charmanten Fachwerkhaus mit einem Anbau, das von hellem Putz umgeben ist. Die Nebengebäude – darunter das Torhaus, der Stadel, die Remise, der Stall, der Nutzgarten und die Keller – vervollständigen das idyllische Ensemble. Im Innenhof findet man einen großen Misthaufen, einen Taubenkobel und eine Pumpe, die das Leben auf dem Hof lebendig werden lassen. Die präzise Darstellung der einzelnen Gebäude und Details machen den „Bärenhof in Egerteich“ zu einem faszinierenden Einblick in die ländliche Architektur im Raum Tirschenreuth.

Dieses Modell wurde im Jahr 1968 zusammen mit anderen Modellen dem Freilandmuseum Oberpfalz übergeben und befindet sich seit 2012 im neuen Zentraldepot.

Es gibt dazu unmittelbar an der Landesgrenze zu Tschechien einen denkmalgeschützten Originalhof, der saniert und bewohnt ist. Im Zuge meines Projektes bin ich mit dem Zimmerer und dem Zimmererlehrling zusammen dorthin gefahren und habe den Vierseithof genauer angeschaut und mit den Besitzern gesprochen. Dabei wurde klar, dass es den Hof schon mindestens seit dem 18. Jahrhundert gibt, da an der einen Säule der Remise die Jahreszahl 1785 zu finden ist. Das Wohnstallhaus selber ist vermutlich noch älter, aber dort ist keine Jahreszahl vorhanden. Die Gebäude sind mittlerweile alle in Wohnungen umgebaut, sodass sie vermietet und weiter genutzt werden können. Der Hof sieht im Grundriss genauso aus wie im Modell, die Gebäude lassen sich auch zuordnen. Allerdings kann man auch einige moderne Veränderungen erkennen. Dazu gehört zum Beispiel eine Solaranlage, die zur Hälfte zugemauerte Remise, neue Fenster oder die Biberschwanzdeckung au allen Nebengebäuden. Der Nutzgarten und die Keller, die im Modell vor dem Hauptgebäude zu finden sind, sind hier nicht mehr vorhanden. Insgesamt sieht die Originalhofanlage trotz aller Veränderungen dem Hofmodell sehr ähnlich und zeigt eine schöne Darstellung einer Vierseitanlage.

Riccarda Ullrich: “Projekt Bärenhof”, 17.04.2024

Ein Hof im Wandel

Im Zuge ihrer Recherche sprach Ullrich auch mit den jetzigen Eigentümern des Hauses. Der Hof wurde 2011 von zwei Familien gekauft, die in die Gebäude eine Alterswohngemeinschaft integrieren wollten. Nach umfangreichen Sanierungen entstanden drei voneinander getrennte Wohnungen – auch in den Nebengebäuden – die jetzt bewohnt werden. Nach Aussage der Besitzer sei der Hof inzwischen “der Mittelpunkt des Dorfes” nahe Waldsassen im Landkreis Tirschenreuth. In den 80er Jahren habe es in dem Vierseithof auch eine Wirtschaft gegeben, außerdem waren Fremdenzimmer vorhanden. Im direkten Vergleich ergeben sich durch die sich ändernden Nutzungen und die Modernisierung einige Unterschiede zum Modell, das im Zentraldepot des Museums untergebracht ist. Der Grundriss und die Frontansicht haben sich zwar kaum verändert. Eklatante Unterschiede gibt es aber vor allem bei den Nebengebäuden.


Rückseite/ Remise und Stadel von hinten: Hier fallen einige Unterschiede auf. Der Bereich vom Stadel ist mit einem Teil der Remise verbunden und das untere Drittel ebenfalls weiß verputzt, was im Modell nicht der Fall ist. Das Dach der Remise ist nicht durchgehend, sondern man sieht den Absatz im Gebäude, an dem es einen Knick macht. Im Dach befinden sich fünf Fenster und es wurde eine Solaranlage installiert. Die linke Hälfte der Rückseite hat am Originalhaus deutlich helleres Holz als die rechte. Das oberste Luftloch des Stadels ist noch vorhanden, aber die unteren zwei sind in richtige Fenster umgewandelt worden. Die Doppeltür an der Rückseite ist bei Beiden vorhanden. Während im Modell sich nur ein Fenster über die gesamte untere Seite der Remise erstreckt, sind am echten Hof mehrere Fenster angebracht, sowie ein Gewächshaus mit Holzverschalung und eine Tür. Im oberen Bereich der Remise befinden sich ebenfalls mehrere Fenster, die zum Teil als Holzverschlagfenster auch im Modell zu sehen sind.

Riccarda Ullrich: “Projekt Bärenhof”, 17.04.2024

Die an den Stadel angeschlossene Remise wurde in ihrer Nutzung vollständig verändert. Der ehemalige offene Raum für die Lagerung von Maschinen wurde zu einem eigenständigen Wohngebäude. Das zeigt nicht nur die Außenansicht sehr gut, sondern auch die Ansicht von der Innenseite des Hofes.

Remise: Die Remise des Originalhauses ist in dem Gebäudebereich, der an den Stall grenzt verputzt. Als weiteren Unterschied sieht man, dass sich im oberen Bereich ein Durchgang befindet, der zur Hälfte mit Holz verkleidet ist und bei dem dahinter mehrere Fenster und eine verputzte Wand zu sehen sind.

Riccarda Ullrich: “Projekt Bärenhof”, 17.04.2024

In dem Projekt konnte Riccarda Ullrich die einzelnen Bereiche ihres freiwilligen sozialen Jahrs im Museum miteinander verknüpfen: Die Depotarbeit brachte sie zu dem Hofmodell, die Arbeit mit den Handwerkern des Museums schulte sie im Blick auf die baulichen Unterschiede zwischen Original und Modell und durch das Wissen über die historische Landwirtschaft konnte sie sich die ehemalige Nutzung des Hofes erschließen. Die Nachforschungen zum “Bärenhof” und sein Modell bildeten den Abschluss ihres Jahres im Freilandmuseum Oberpfalz. Insgesamt sei das FSJ “eine Bereicherung für das Leben” gewesen, so Riccarda Ullrich.

Eva Gröninger

Eva Gröninger, B.A., wurde 1990 in der Oberpfalz geboren. Sie studierte Germanistik und Allgemeine und Vergleichende Sprachwissenschaften an der Universität Regensburg und arbeitete unter anderem als TV-Redakteurin. Seit 2023 ist sie in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Freilandmuseums Oberpfalz tätig und betreut die Social-Media-Kanäle des Museums.