Das Rote Höhenvieh in der Oberpfalz

Starke Zugtiere, regionale Identität, bedrohte Art

Zu Aussehen, Stärken und Haltung des Roten Höhenviehs

Rinder gehören zur Familie der Hornträger. Sie sind Wiederkäuer und Pflanzenfresser, die heute bis zu 30 Jahre alt werden können. Die Wurzeln des roten Höhenviehes liegen, wie die aller heute in Mitteleuropa gehaltenen Rinderrassen, bei keltischen und illyrischen Rinderarten. Das bayerische Rote Höhenvieh entstand durch die Kreuzung einheimischer und österreichischer Rinder; es war lange Zeit die am weitesten verbreitete Rinderrasse in der Oberpfalz.[1]

Unter der Bezeichnung „Rotes Höhenvieh“ werden fast alle ursprünglichen Rotviehschläge der deutschen Mittelgebirgslagen zusammengefasst. Das Rote Höhenvieh wurde in verschiedenen, den Bedingungen der jeweiligen Gebiete angepasste Landschlägen gezüchtet[2]: „Als an regionale Gegebenheiten angepasste Tierrassen waren diese frühen Landschläge ein Ergebnis der ökologischen und ökonomischen Bedingungen ihrer Umwelt“.[3] Die Tiere sind robust, genügsam und wie gemacht für die kargen Bedingungen der Mittelgebirgslagen.[4] Ausgewachsene Kühe erreichen ein Gewicht von 7-9 Zentnern, schwere Ochsen sogar von bis zu 17 Zentnern. Äußerlich zeichnet das rote Höhenvieh sich durch eher hageren Knochenbau und das namengebende rote Fell aus.[5]

Rind der Rasse "Rotes Höhenvieh" (Foto: Felix Schäffer, Freilandmuseum Oberpfalz)
Rind der Rasse „Rotes Höhenvieh“ (Foto: Felix Schäffer, Freilandmuseum Oberpfalz)

Es wurde ursprünglich als sogenanntes „Dreinutzungsrind“, d. h. als Zugtier und als Fleisch- und Milchlieferant, gezüchtet. Schnell kristallisierte sich die besondere Eignung dieser Rinder als Arbeitstier heraus. Gerade kleinere Betriebe konnten sich Pferde als Zugtiere nicht leisten und griffen auf Rinder zurück.[6] Neben seiner Zugkraft war das Rote Höhenvieh auch für sein gutes Fleisch bekannt; Rindfleisch galt als das nahrhafteste Fleisch und wurde vielseitig zubereitet.[7]

Früher lebte der Mensch eng mit den Tieren seines Hofes zusammen und so lebte auch das Rote Höhenvieh oft mit den Menschen in sogenannten „Wohnstallhäusern„, bei denen sich Mensch und Vieh einen Eingang ins Haus teilten. Die Rinderställe sollten im Idealfall trocken, hell und luftig sein und den Tieren viel Platz bieten. Realiter waren die Rinder leider oft sehr schlecht untergebracht; sie lebten häufig in überfüllten Ställen, an den genannten Bedingungen mangelte es oft.[8]

Die Gesichte des Roten Höhenviehs in der Oberpfalz

Die Rinderhaltung in Bayern ist bereits seit der Frühzeit belegt. In den Akten von Klöstern findet man Viehregister, in denen die Tiere vielfach nach Farben beschrieben werden. Diese Aufzeichnungen entstanden oft im Rahmen von Visitationen oder Abtwechseln, waren also Teil einer Bestandsaufnahme über den Besitz eines Klosters. Das Rote Höhenvieh taucht wiederholt in diesen Zeugnissen auf.[9]

Mutterkuh mit Kalb der alten Rinderrasse "Rotes Höhenvieh". Foto: Felix Schäffer, Freilandmuseum Oberpfalz
Mutterkuh mit Kalb der alten Rinderrasse „Rotes Höhenvieh“. Foto: Felix Schäffer, Freilandmuseum Oberpfalz

Die Geschichte des Oberpfälzer Rotviehs beginnt im Kloster Waldsassen. Es wurde dort im 18. Jahrhundert gezüchtet und von dort ausgehend in die Oberpfalz, aber auch darüber hinaus verbreitet. Die Tiere erfreuten sich vor allem ihrer Qualitäten als Zugvieh wegen besonderer Beliebtheit: Pferde waren teurer als Rinder, wenn sie auch starke Zugtiere waren. Doch Rindfleisch ließ sich im Falle einer Erkrankung des Tieres besser verkaufen.[10] Der Verkauf von Rotvieh-Zugochsen war eine wichtige Einnahmequelle für kleinere Rinderzucht. Die Zugtiere waren nicht nur in der Oberpfalz, sondern sogar in Mittel- und Norddeutschland in Gebieten mit leichten Böden ihrer Leistungsfähigkeit wegen sehr beliebt und fanden in dieser Zeit zahlreiche Abnehmer.[11] Im 19. Jahrhundert spielte die Fleischleistung der Tiere, die geringer war als die anderer Rassen (obwohl sie bei guten Haltungsbedingungen nicht zu verachten war) eine eher untergeordnete Rolle, was sich später änderte und zum Niedergang des Roten Höhenviehs beitrug.

Die Weidener Viehhändler Leopold und Max Engelmann trugen maßgeblich zur Verbreitung des Oberpfälzer Rotviehs bei. Durch den Anschluss der Stadt an das Eisenbahnnetz hatte der Viehhandel in Weiden eine neue Grundlage bekommen, wobei das fruchtbare Weideland des Gebiets schon zuvor eine reichhaltige Tierhaltung und -zucht ermöglicht hatte.[12] Das Geschäft der Engelmanns, zudem auch Stallungen, Wiesen und Äcker gehörten, entwickelte sich schnell zu einem Großhandel, der im Transport stets auf die Eisenbahn setzte.[13]

Max Engelmann wird bis heute als wichtigster und einflussreichster Viehhändler der Oberpfalz, wenn nicht ganz Bayerns, wertgeschätzt. 1912 schrieb er diverse Beiträge für den „Katalog deutscher und ausländischer Haus- und Nutztierrassen“ Carl Hagenbecks. Hagenbeck war ein weltbekannter Hamburger Tierhändler, Zoodirektor und Völkerschauausrichter; dass Engelmann Kontakt zu ihm hielt, unterstreicht dessen über die Grenzen der Oberpfalz hinausgehende Bedeutung. Max Engelmann war es, der sich für die Aufnahme des Roten Höhenviehs in den Katalog einsetzte und schließlich auch den Beitrag dazu verfasste.[14]

Allerdings befand sich die Rasse in dieser Zeit bereits in ihrem Niedergang. 1898 wurde in Weiden der „Zuchtverband für das Bayerische Rotvieh“ gegründet, dessen Ziel es war, durch gezielte Bullenauswahl die Rasse entscheidend zu verbessern und dadurch zu erhalten. Der Verein erwarb 1901 ein 110 Tagwerk großes Grundstück bei Almesbach für die Zucht, aus dem sich eine staatliche Lehr- und Versuchsanstalt für Tierhaltung entwickelte. Zunächst erhielt der Verband noch staatliche Unterstützung, die schon im ersten Jahrzehnt seines Bestehens jedoch stark nachließ. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts stieg die Verbreitung des Fleckviehs, gescheckter Rinderrassen, die sich großer Beliebtheit erfreuten. Unter diesem Konkurrenzdruck konnte auch der Zuchtverband nicht mehr ausrichten.[15]

Engelmann und weitere deutsche Züchter bemühen sich nun um die Gründung eines überregionalen Verbandes deutscher Rotviehzüchter, doch auch dieses Unterfangen war nur von mäßigem Erfolg geprägt. Ein gesamtdeutscher Zuchtverband ließ sich nicht realisieren, aber immerhin ein Verband mitteldeutscher Rotviehzüchter.[16]

In den 1930er Jahren kam dann das Beinahe-Ende des Roten Höhenviehs in Deutschland. Zugtiere waren durch die vermehrte Nutzung von Traktoren nicht mehr gefragt; zusätzlich führte die Ideologie der NS-Zeit um ein Haar den Untergang der alten, deutschen Rasse herbei: in ihrem Streben nach weitgehender Selbstversorgung waren die Nationalsozialisten, wie Sebastian Schrott treffend beschreibt, bereit, „auch diese, die Identität der bäuerlichen Oberpfalz über Jahrhunderte prägende, Tierrasse zu opfern“[17]. Grund war, dass das Rote Höhenvieh mit der hohen Fleisch- und Milchproduktion des Fleckviehs nicht mithalten konnte – diese stand aber für die von den Nationalsozialisten angestrebte Selbstversorgung des Landes im Vordergrund, sodass auch die ursprünglich für das Rotvieh gegründete Zuchtanstalt in Almesbach nun für die Fleckviehzucht herhalten musste. Die Zucht des Roten Höhenviehs war von nun an nur noch im kleinen, privaten Rahmen möglich.[18]

Der Bestand des deutschen roten Höhenviehs ging soweit zurück, dass dieses 1997 von der Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen e. V. als gefährdete Nutztierrasse des Jahres beschieden wurde. Noch im gleichen Jahr wurde die Bundesarbeitsgemeinschaft Rotes Höhenvieh gegründet. Seit 1999 ist das Rote Höhenvieh in den Bundesverband deutscher Fleischrinderzüchter aufgenommen.[19] Inzwischen gibt es in der Oberpfalz wieder einige Betriebe, die das Rote Höhenvieh züchten.

Auch das Freilandmuseum Oberpfalz trägt dazu bei, dass das Rote Höhenvieh und damit ein Teil der Kulturgeschichte unserer Region bewahrt wird. Schon vor vielen Jahren bezog das Oberpfälzer Rotvieh seinen Stall im Kolbeckhof des Freilandmuseums und weidet seitdem auf den Museumswiesen. 2004 wurde erstmalig der „Tag der alten Haustierrassen“ im Freilandmuseum abgehalten – dieser Tag steht ganz im Zeichen alter, bedrohter Nutztierarten und soll den Besuchern zeigen, wie schützenswert dieser tierische Teil unserer regionalen Identität ist.


[1] Vgl. Burger, Lorenz: Das Rote Höhenvieh. Geschichte und Gegenwart. Oberpfälzer Freilandmuseum Neusath Perschen 2014. S. 3.

[2] Vgl. Schott, Sebastian: Der Weidener Großviehhändler Max Engelmann und sein Kampf um den Erhalt des Bayerischen Rotviehs in der Oberpfalz. Oberpfälzer Heimat 57 (2013). S. 125-144, hier S. 29.

[3] a.a.O.

[4] Vgl. a.a.O.

[5] Vgl. Burger 2014. S. 3.

[6] Vgl. Schott 2013. S. 130

[7] Burger 2014. S. 7.

[8] Vgl. Ders. S. 8.

[9] Vgl. Stutzer, Dietmar: „…das Erdreich gesegnet mit Garben, Zugvieh und Herden“. Eine kleine Geschichte der Nutztiere in Bayern (=Haus der Bayerischen Geschichte 1). Augsburg 2007. S. 10.

[10] Vgl. Burger 2014. S. 6.

[11] Vgl. Schott 2013. S. 130.

[12] Vgl. Ders. S. 125.

[13] Vgl. Ders. S. 127-129.

[14] Vgl. Schott 2013. S. 131f.

[15] Vgl. Ders. S. 135-137.

[16] Vgl. Ders. S. 140-142.

[17] Ders. S. 143.

[18] Vgl. a.a.O.

[19] Vgl. Ders. S. 144.