Was bisher geschah: Eine kurze Geschichte des FMO
Die Geschichte des „Freilandmuseums Oberpfalz“ ist nicht nur die eines Ortes der Bewahrung und Vermittlung von Wissen, sie ist auch die Geschichte der Region Oberpfalz und der Menschen, die dort leben und lebten. Die Geschichte des Museums lässt sich viele Jahrhunderte zurückverfolgen, in eine Zeit, lange bevor die ersten Besucher einen Fuß auf das heutige Museumsgelände setzten.
Das „Freilandmuseum Oberpfalz“ versteht es als seine Aufgabe, materielle und immaterielle Zeugnisse der Vergangenheit und vom Vergessen bedrohtes Wissen um alte Techniken und Traditionen zu sammeln, zu schützen und den Menschen weiterhin zugänglich zu machen. Nicht anders wollen wir das mit der Vergangenheit des eigenen Museums halten – und so möge der Leser es verzeihen, wenn ich mir erlaube, bei dieser kleinen Reise in die Vergangenheit des „Freilandmuseums Oberpfalz“ etwas weiter auszuholen…
Von ersten Siedlungen in der Oberpfalz zum “Edelmannshof” in Perschen
In der Zeit nach der Völkerwanderung bis hinein ins 10. und 11. Jahrhundert gehörte die Oberpfalz zur germanisch-slawischen Kontaktzone, was bedeutete, dass die Menschen hier nicht nur sprachlich beiden Kulturkreisen angehörten. In der Oberpfalz lebten Bajuwaren und Franken, aber auch Wenden, Angehörige einer slawischen Volksgruppe. Diese Wenden, die vor allem am Obermain und vom Osten herkommend entlang der Naab siedelten, prägten die Ortslandschaft der Gegend – zahlreiche Ortsnamen slawischer Herkunft in der Oberpfalz (wie etwa ‚Tirschenreuth‘) zeugen davon auch heute noch.
Ein solcher ehemals slawischer Siedlungsort ist Perschen, dessen älteste schriftliche Erwähnung zwar aus dem 11. Jahrhundert stammt, jedoch einen Zustand des Ortes aus dem Jahr 798 beschreibt. Perschen liegt am Ufer der Naab, die frühe Namensform slawischer Herkunft ‚Persan‘ kann als Bezeichnung für die „Leute am Ufer“ gedeutet werden.
Die Perschener Kirche St. Peter und Paul,[1] entstand bereits im 8. oder 9. Jahrhundert, gilt als die Urpfarrei des Gebietes der mittleren Naab und war von immenser Bedeutung für die zunächst religiöse Erschließung dieses Raumes; eine Erschließung, die auch die Kultivierung des Gebietes und damit einen Zuwachs an Siedlungstätigkeit und Nutzbarmachung des Landes bedeutete. In der Mitte des 12. Jahrhunderts wurde der sogenannte ‚Karner‘, die Friedhofskapelle St. Michael mit Beinhaus im Untergeschoss, errichtet. Der heute noch erhaltene Karner ist sehr bedeutend für die Kunstgeschichte, die Kuppel des Obergeschosses ist mit Fresken versehen, die das himmlische Jerusalem mit Heiligen, Aposteln, Jungfrauen, Maria, Christus in der Mandorla, Evangelisten und drei Seelen in Abrahams Schoß zeigen. Im Jahr 1122 entstand an der Stelle der alten Kirche eine romanische Basilika, die bis heute in ihrem Urzustand erhalten ist. In der Basilika sind gotische Fresken zu betrachten, die die törichten und klugen Jungfrauen, die Evangelisten, den hl. Georg und Christus in der Mandorla zeigen, ein Bildprogramm also, das in einigen Teilen dem des Karners ähnelt.
Die Pfarrei des Gebietes wurde während der Hussitenkriege im 15. Jahrhundert in die Stadt Nabburg verlegt, die durch ihre Befestigung mehr Schutz vor den Wüstungen des Krieges bot. St. Peter und Paul in Perschen war nun nur noch Filialkirche der Pfarrei in Nabburg, was zur Folge hatte, dass der der Kirche zugehörige Pfarrhof nicht mehr von einem Pfarrer bewohnt wurde. Der Hof blieb dennoch Eigentum der Kirche und wurde von einem sogenannten ‚Widembauern‘ bewirtschaftet, der sich im Auftrag der Kirche um das Anwesen kümmerte.
Der Hof ging 1522 schließlich als Erbrechtshof in andere Besitzverhältnisse über; von 1692-1698 (die Gründung der Siedlung Perschen lag nun bereits mindestens 900 Jahre zurück) lebte der Adlige Claudius von Stanling auf dem einstigen Pfarrhof. Dieser vornehme Bewohner wurde zum Namensgeber des „Edelmannshofs“ in Perschen[2] – der Wortteil ‚edel‘ verweist auf die adlige Geburt seines ehemaligen Besitzers, des sogenannten ‚Edelmannsbauern‘. Der „Edelmannshof Perschen“ ist bis heute ein wichtiger Bestandteil des Freilandmuseums; derjenige Ort nämlich, von dem aus das Museum seinen Anfang nehmen sollte.
Das “Bauernmuseum Perschen”
275 Jahre lang (und damit über mehrere Generationen hinweg) lebte die Familie Hösl aus Perschen auf dem „Edelmannshof“, bis 1957 der letzte Besitzer das Anwesen verließ. Der „Edelmannshof“, dessen Hauptgebäude sich seit 1605 im unveränderten Bauzustand befand, stellt eines der bedeutendsten Denkmäler der bäuerlichen Architektur in der Oberpfalz dar – nicht zuletzt, weil der Hof in Verbindung zur romanischen Basilika St. Peter und Paul und dem kunstgeschichtlich besonders wertvollen Karner ein beeindruckendes Bild der kulturellen Vergangenheit der Oberpfalz liefert. Der „Edelmannshof“ bildet mit Kirche und Karner ein Ensemble von höchstem kulturgeschichtlichem Wert, er ermöglicht die Reise in eine vielerorts nicht mehr vorzufindende, vergangene Lebenswelt.
Das erkannten auch der damalige Nabburger Landrat Hans Werner und der Perschener Hauptlehrer Alfons Haseneder, auf deren Initiative das „Bauernmuseum Perschen“[3] entstand. Die beiden gründeten 1961 mit einigen Gleichgesinnten den „Verein für Archiv- und Heimatpflege sowie Naturschutz im Landkreis Nabburg e.V.“. Der Verein setzte sich zum Ziel, die nun verlassene Hofstelle zu erhalten und auszubauen: Hier sollte ein Ort zur Bewahrung der ländlich-bäuerlichen Kultur entstehen, der seinen Besuchern als Berührungspunkt mit dieser Lebensweise dienen würde.
Der Verein, der sich bald darauf zum „Verein Oberpfälzisches Bauernmuseum Perschen e.V.“ (heute „Verein Oberpfälzisches Bauernmuseum Neusath-Perschen e.V.“[4]) umbenannte, kaufte 1961 den „Edelmannshof“ und machte sich sogleich an die Arbeit: Der Hof sollte für die Öffentlichkeit hergerichtet werden. Dazu gehörte auch das Sammeln von Gegenständen des ländlich-bäuerlichen Lebens, die später im Museum gezeigt werden sollten. Beim Sammeln unterstützten Landwirtschaftsämter und die Regierung der Oberpfalz, sodass binnen weniger Jahre zahlreiche Objekte von landwirtschaftlichen Geräten, über Bücher und Trachten, bis hin zu Haushaltsgegenständen und Möbeln zusammenkamen.
Im Jahr 1964 ging die erste Translozierung in der Geschichte des Museums vonstatten: Die Vereinsmitglieder bauten in Losenried bei Roding (Landkreis Cham) einen hölzernen Getreidekasten ab und übertrugen ihn in den Hofraum der Perschener Anlage.
Noch im selben Jahr wurde das „Oberpfälzische Bauernmuseum Perschen“, als zweitältestes Museum für bäuerliche Kulturgeschichte in Bayern, eröffnet und fand regen Zuspruch. Die Besucherzahlen stiegen noch in der Anfangszeit des Museums, und schon bald wurde ersichtlich, dass man den Anforderungen der Anlage, der zunehmenden Besucherzahlen und der umfangreichen Sammlung allein nicht Herr werden konnte. So begann die Suche nach einem öffentlichen Träger.
Die Gründung des “Oberpfälzer Freilandmuseums Neusath-Perschen”
Diese Suche fiel genau in jene Zeit, als ausgehend von Skandinavien das Konzept ‚Freilichtmuseum‘ sich immer größerer Beliebtheit erfreute. Die Bewegung fand ihren Weg nach Deutschland, auch nach Bayern, wo in Oberbayern und Mittelfranken die ersten Freilichtmuseen entstanden waren. Auch der Bezirk Oberpfalz hatte Interesse an der Gründung eines Freilichtmuseums, und dieses Interesse deckte sich gut mit den Bemühungen des Vereins nach einem öffentlichen Träger.
1977 wurde das „Bauernmuseum Perschen“ an den Bezirk übergeben – noch heute steht der ursprüngliche Trägerverein dem „Freilandmuseum Oberpfalz“ als Förderverein zur Seite. Nun sollte das Museum zu einem Freilichtmuseum erweitert werden, wobei sich zunächst das nicht unerhebliche Hindernis des bisherigen Standortes auftat: Gegenüber des Museums, entlang der Naab stand zwar unbebaute Fläche zur Verfügung, die allerdings zum Hochwassergebiet des Flusses gehörte; mit Sicherheit kein geeigneter Ort, um hier alte, kulturell wertvolle Gebäude aus der ganzen Oberpfalz wiederzuerrichten. Auf der Suche nach einem geeigneten Gelände, das nicht zu weit entfernt vom „Bauernmusem Perschen“ gelegen war, wurde man schließlich beim Nachbarort Neusath fündig. Das Gelände wurde erworben und das Museum trug von nun an den Doppelnamen „Neusath-Perschen“.
Die Übertragung des ersten Gebäudes auf die neue Fläche startete schon im Folgejahr, 1980. Ursprünglich sollten nur acht vom Abbruch bedrohte Hofstellen im Museum wiedererrichtet werden; sie sollten als Repräsentanten für die verschiedenen Hauslandschaften der Oberpfalz stehen. Schon bald entschied sich der Bezirk jedoch für eine Änderung dieses Konzeptes: die Museumsanlage sollte nicht, wie zuvor geplant, aus einzelnstehenden Höfen bestehen; stattdessen sollte die Kulturlandschaft der Oberpfalz an siedlungsartigen Baugruppen gezeigt werden.
Die Teileröffnung des „Oberpfälzer Freilandmuseums Neusath-Perschen“[5] erfolgte binnen weniger Jahre (übrigens in der Amtszeit des Bezirkstagspräsidenten Alfred Spitzner, zu dessen Gedenken im Museum ein eisernes Kreuz zu bewundern ist). Bis dahin waren bereits eine Vielzahl von Gebäuden auf das Gelände übertragen sowie Wege für die Besucher angelegt worden. Die Anlage wurde stetig weiterentwickelt und viele weitere Gebäude wurden in das Freilandmuseum transloziert.
Das “Freilandmuseum Oberpfalz” heute
Inzwischen gehört das heutige „Freilandmuseum Oberpfalz“ zu den größten seiner Art in Bayern und dient anderen Museen als Vorbild. Noch immer ist der Ursprung des Freilichtmuseums, der „Edelmannshof“ in Perschen, ein wichtiger Bestandteil – regelmäßig finden hier Veranstaltungen (wie etwa der Musikantenstammtisch oder die Museumskirchweih) statt und jede Woche können die Besucher hier auf dem „Perschener Bauernmarkt“ regionale Spezialitäten erwerben.
Mittlerweile umfasst die Anlage rund 50 wiedererrichtete Gebäude. Neue Aufgaben sind hinzugekommen und werden mit Geschick und Hingabe gemeistert: Beispielsweise ist das „Freilandmuseum Oberpfalz“ das erste Freilandmuseum, dass das Prädikat als staatlich anerkannte Umweltstation erhalten hat. Das Museum ist somit ein zentraler Ort der außerschulischen Umweltbildung – und als Biotop, Artenhotspot und hervorragendes Beispiel für die Wirksamkeit alter, nachhaltiger landwirtschaftlicher Methoden auch bestens dafür geeignet.
Das „Freilandmuseum Oberpfalz“ versteht sich auch weiterhin als das kulturelle Gedächtnis des Landstrichs und wird auch zukünftig hier sein, um die Zeugnisse des ländlichen Raums der Vergangenheit zu bewahren und zu erforschen – und um zu zeigen, welchen Wert diese Zeugnisse, das ihnen innewohnende Wissen und die an sie geknüpften Lebenserfahrungen für die Gegenwart haben.
[1]Vgl. zur Kirche St. Peter und Paul: https://www.pfarrei-nabburg.de/kirchen_kapellen.php?main=kirchen_einrichtungen.
[2] Vgl. Heimrath, Ralf / Moser, Günther / Angerer, Birgit: Das Oberpfälzer Freilandmuseum Neusath-Perschen. Häuser, Menschen, Geschichte. Amberg 2006. S. 7-9.
[3] Vgl. Heimrath/Moser/Angerer 2006. S. 9.
[4] https://www.freilandmuseum-oberpfalz.de/das-oberpfaelzer-freilandmuseum/verein-oberpfaelzisches-bauernmuseum-neusath-perschen-e-v.
[5] Vgl. Heimrath/Moser/Angerer 2006. S. 10f.