Vom realen Objekt zum virtuellen Gedächtnisträger

Wie aus Unikaten digitalisierte Erinnerungsstücke werden

Was bleibt, wenn ein Objekt verschwindet? Manchmal ist es nur ein alter Löffel, ein Stück Stoff oder ein unscheinbares Brett. Doch wer genauer hinsieht, erkennt: Dahinter steckt oft Leben, Arbeit und Gedächtnis. Ein Moment Geschichte, den es wert ist, zu bewahren. Genau das macht das Projekt hand.gemacht.

In der Unikathek, unserer digitalen Sammlung gelebter Kultur, stehen diese Objekte nicht einfach still. Sie erzählen. Sie zeigen, wie Menschen in der Oberpfalz mit Erfindungsgeist, Widerstandskraft und Gefühl Dinge geschaffen haben – mit den Händen, aber auch mit dem Herzen.

Doch wie beginnt ein virtueller Gedächtnisträger seinen Weg aus dem greifbar realen in das digitale Erzählformat?

Prozessdiagramm der Erhebungsphase
Prozessdiagramm zur Erhebungsphase: Objektübergabe, Datenerhebung und Objektrückgabe, Archivierung.

Ein Objekt kommt ins Gespräch

Alles beginnt mit einem Menschen. Jemand bringt einen Gegenstand mit – sei es ein selbst gebauter Hocker, aufwändig geschneidertes Cosplay mit Bezug zur Popkultur oder ein geschnitztes Spielzeug. In einem Workshop oder Einzeltermin erzählt die Person, was sie damit verbindet: Warum wurde es gemacht? In welcher Zeit? Welche Gefühle und Erinnerungen hängen daran? Die Gegenstände werden zum Ausgangspunkt einer persönlichen Erzählung.

Diese Geschichten werden aufgezeichnet, oft ergänzt durch Fotos, Familienanekdoten oder Erinnerungen an das soziale Umfeld. Die Erzählung wird damit selbst Teil des Objekts. Die Erinnerung wird durch das Objekt greifbar – und durch das Projekt bewahrt.

3D-Scan: Das Objekt wird digital

Damit das Objekt in seiner Eigenheit und mit allen Macken und Besonderheiten erhalten bleibt, wird es mithilfe moderner 3D-Technik digital erfasst. Je nach Größe und Material wird entweder ein mobiler oder stationärer Scanner von uns genutzt. Die Scans sind die Grundlage unserer virtuellen Gedächtnisträger.

Die Oberflächenstruktur, Gebrauchsspuren und handwerklichen Details – wie Risse im Holz, Farbabplatzer oder individuelle Formen – werden dabei millimetergenau aufgenommen. Was früher oder später verloren gegangen wäre, kann so in einer digitalen Form weitergegeben werden – nicht als Ersatz für ein Original, sondern als Abbild und Erweiterung.

Das Lieblingsstück geht danach gleich wieder zurück an die großzügigen Besitzer.

Sorgfältige digitale Bearbeitung

Die Daten aus dem 3D-Scan sind zunächst nur Rohmaterial – eine Punktwolke aus Millionen Datenpunkten. Wir setzen und im nächsten Schritt daran, diese in Form zu bringen: Störungen werden entfernt, Geometrie errechnet, Farben korrigiert (Mehr darüber kannst du in diesem Beitrag erfahren).

Dabei entsteht nicht nur ein ansehnliches Modell, sondern ein Stück Präzisionsarbeit, das den Charakter des Originals erhält. Für die Unikathek entstehen meist verschiedene Versionen: für Web und mobile Geräte, für VR-Anwendungen und besonders detailreiche für wissenschaftliche Zwecke.

Kontextualisierung: Dem digitalen Objekt eine Stimme geben

Im Anschluss wird das Objekt mit Geschichten verknüpft. Interviews werden transkribiert, historische oder soziale Hintergründe recherchiert, Originalaufnahmen aufbereitet. Fotos werden bearbeitet und manchmal sogar Bewegungen am Modell animiert.

Die Erinnerungen und Geschichten annotieren wir an markanten Stellen am Modell. Das bedeutet: Ein Klick auf eine bestimmte Stelle – etwa ein fehlender Knopf, ein eingravierter Name oder eine Verfärbung – öffnet eine Textpassage, ein Zitat oder sogar eine Tonaufnahme, die diesen Aspekt erklärt. So kann man nachvollziehen, wo das Objekt getragen, warum es repariert oder wann es verändert wurde.

Dadurch entsteht nicht nur ein visuelles, sondern ein multisensorisches Erlebnis. Das Modell wird zur Erzählfläche – und jede Annotation wird zum Ankerpunkt für ein Stück Erinnerung, das man sonst vielleicht nie erfahren hätte.

Die Unikathek: Ein digitales Zuhause

Die fertiggestellten virtuellen Gedächtnisträger werden schließlich in der Unikathek veröffentlicht – eine digitale Plattform, auf der jede*r stöbern, entdecken und lernen kann. Die Objekte können gedreht, herangezoomt, gelesen und gehört werden.

Die Unikathek ist mehr als ein Archiv: Sie ist ein lebendiges Gedächtnis der Region. Objekte wie das WAA-Marterl, individualisierte Bierkrüge oder zur Kirwa gesteckte Blumenkränze erzählen dort nicht nur individuelle Geschichten, sondern spiegeln kollektive Erfahrungen wider – vom Widerstand bis zur Alltagskreativität und Brauchtum.

Alltagskultur wird zu digitalem Erbe

Durch die hier beschriebenen Prozesse entsteht aus einem analogen, oft übersehenen Objekt ein virtueller Gedächtnisträger, der Vergangenheit in die Gegenwart holt – für alle zugänglich, von Überall. Durch die Verbindung von Technik, Erzählung und aktiver Beteiligung entsteht eine Sammlung, die nicht nur dokumentiert, sondern berührt.

hand.gemacht zeigt: Erinnern heißt nicht bewahren im Stillstand, sondern weitergeben in Bewegung und Austausch. Und jeder, der etwas zu erzählen hat, ist eingeladen mitzumachen.