Vom Stiftland bis zur Nabburger Straße

Das Gelände des Freilandmuseums Oberpfalz

Überblick über das Gelände des Freilandmuseums Oberpfalz, (Foto: Marco Linke, Fa. manntau)
Überblick über das Gelände des Freilandmuseums Oberpfalz, (Foto: Marco Linke, Fa. manntau)

Das Stiftland

Im Jahre 1133 wurde das Kloster Waldsassen als Rodungskloster gegründet. Es war von großer Bedeutung für die Entwicklung der Oberpfalz, denn von hier ausgehend wurde das Gebiet erschlossen und durch Rodungen für Siedlungsbau und Landwirtschaft nutzbar gemacht. Der Name „Stiftland“[1] leitet sich von der Herrschaft des Klosters ab, das in der nordöstlichen Oberpfalz viel Grund besaß, den es durch Stiftungen erhalten hatte. Zahlreiche Orte im Stiftland existieren seit dem Mittelalter; sie wurden auf den Rodungen des Klosters gegründet. Der Ortsnamenzusatz „-reuth“ weist bei vielen Orten in dieser Region noch immer auf ihren aus der Rodungstätigkeit hervorgegangenen Ursprung hin.

Das Rodungsdorf im Stiftland des Freilandmuseums Oberpfalz ist als Angerdorf angelegt: Ein Dorfanger (1) mit Dorfteich und gemeinschaftlichem Hirtenhaus (7) bildet das Zentrum der Siedlung. Um diesen zentralen Platz verläuft ein Weg, an den sich kleine und große Hofstellen, zumeist in Egerländer Fachbauweise, anschließen – der Denkenbauernhof (3), der Matzhof (4), der Köstlerwenzhof (5) und ein Handwerkerhaus, der Webergirgl (6). Die Zugänge führen vom Dorfanger sternförmig zu den Häusern, in die Fluren und zu den Nachbardörfern.

Das Dorf ist zudem als sogenannte Waldhufensiedlung angelegt. Hinter jedem Gebäude befindet sich eine „Hufe“, ein nutzbar gemachtes Grundstück, die in diesem Fall bis zum Waldrand reicht. Waldhufensiedlungen sind eine der am häufigsten vertretenen Siedlungsformen in der nördlichen Oberpfalz; sie entstanden in den Rodungsphasen des Hoch- und Spätmittelalters. Die Äcker und Brachfelder der Bauern sind in Waldhufensiedlungen nicht wie sonst oft über mehrere Stellen des Gemeindegebiets verteilt, sondern befinden sich als geschlossene Flur im direkten Anschluss an den Hof. Die Hufen wurden in drei gleichgroße Felder aufgeteilt, auf denen Dreifelderwirtschaft betrieben wurde, d.h. im jährlichen Wechsel wurden verschiedene Feldfrüchte angebaut. Auch im Freilandmuseum werden die Waldhufen im System der Dreifelderwirtschaft bewirtschaftet.

Das Dorf im Stiftland zeigt dem Besucher ein Abbild der ländlichen Sozialstruktur: Hier sind verschieden große Hofstellen vertreten. Die Unterschiede in der Lebensweise eines Großbauern, eines Kleinbauern, eines Handwerkers mit geringem landwirtschaftlichen Grundbesitz und eines Hirten werden deutlich.

Der Oberpfälzer Wald

Vom Stiftlanddorf aus folgt der Besucher dem Nachbau einer historischen Landstraße aus dem 19. Jahrhundert hinein in den Oberpfälzer Wald[2]. Der Osten der Oberpfalz war vom Bayerischen und Oberpfälzer Wald geprägt, durch das Mittelgebirge verliefen schon früh wichtige Straßen, von denen aus eine Erschließung der Waldgebiete möglich wurde.

Dieses Dorf ist als Straßendorf angelegt. Die Menschen siedelten entlang der Wege, ihre Hofstellen waren rechts und links entlang des Hauptweges aufgereiht und von der Straße aus begehbar. Die Fluren sind als Terrassenäcker angelegt, die durch das Pflügen entstehen; ihre Stufenraine sollen der Bodenerosion entgegenwirken. Sie liegen rechtwinklig zum Hauptweg und quer zum Geländehand, teils auch hinter den Häusern. Vertreten sind die Blockflur (1) und die Streifenflur (2).

Die Erträge aus dem Ackerbau der Walddörfer waren des Klimas und des Wetters wegen eher gering, weshalb die Menschen auf Viehhaltung und Waldwirtschaft als wichtige Einnahmequellen zurückgreifen mussten. Von den niedrigen Einkünften der Bewohner zeugt auch die Größe der Hofstellen: Die Häuser sind kleiner als an anderen Orten. Hier erscheint der Kolbeckhof (4) bereits als groß, üblicher waren Sölden wie der Langerbauer (5). Arme Menschen lebten oft in Innhäusern (6) als Untermieter.

Die Häuser sind  nicht wie jene im Stiftland in Fachwerkbauweise errichtet, sondern als Blockbauten mit dicken, die Wärme im Inneren haltenden Wänden, die typisch für die Hauslandschaft des Bayerischen Waldes und den nördlichen Oberpfälzer Wald waren. Bei den meisten Dächern handelt es sich um flache Legschindeldächer. Die Dachform wurde ebenfalls von Klima und Waldleben beeinflusst: Die flachen Dächer waren stabil, sie mussten schwere Schneelasten tragen können. Doch auch steile Dächer sind zu sehen – diese entsprechen der Bauweise der benachbarten bayerisch-böhmischen Grenzregion, hier wird der (bau)kulturelle Austausch verschiedener Regionen verdeutlicht.

Das Mühlental

Das Mühlental[3] des Freilandmuseums befindet sich in einer natürlichen Senke. Es ist umgeben von bewaldeten Hängen, die verschiedene Waldtypen mit ihnen eigenen Nutzungsarten aufzeigen: Hochwälder (1) für Bauholz, Niederwälder (2) für Brenn- und Werkholz, Mittelwälder (3), die beide Funktionen erfüllten, und Eichen- sowie Buchenwälder (4), die als Schweineweiden für die Mast mit Eicheln und Bucheckern genutzt wurde.

Im Tal fließt ein Bach, an den mehrere Teiche angeschlossen sind. Der Bach versorgt die Betriebsgebäude des Mühlentals, eine Sägemühle (7) zu Herstellung von Balken und Brettern und eine Getreidemühle (5), mit Energie; in Teichen wurden von Bauern, Adligen und Klöstern Karpfen für den Eigenbedarf und zum Verkauf gezüchtet. Für die Bewirtschaftung der Teiche wurden kleine Hütten (6) errichtet.

Das Rauberweiherhaus (5), dessen Mühlentrakt einen hervorragenden Einblick in das Handwerk einer altdeutschen Mühle gewährt, war der Landsitz eines Adligen, der von hier aus auf die Jagd ging. Im Haus lebten sowohl der Müller als auch Bedienstete des Hausherrn. Die Mühle ist für die Besucher begehbar, hier können sie auf verschiedenen Ebenen die technische Einrichtung einer Mühle sehen.

Der Oberpfälzer Jura

Das Juragebiet befindet sich im Westen der Oberpfalz und ist geprägt von einst dicht bewaldeten Hochebenen, Flusstälern und Kalkstein. Ab dem Frühmittelalter wurden in den Wäldern zahlreiche Rodungen durchgeführt, was jedoch dazu führte, dass Wasser schneller im Kalkboden versickern konnte, wodurch der Grundwasserpegel sank und Wasserknappheit entstand. Die Menschen siedelten in diesen Gegenden eher an Flüssen, um ihre Wasserversorgung zu gewährleisten.

Es entstanden Weiler, winzige Dörfer mit nur wenigen Haus- oder Hofstellen, und Haufendörfer, deren Häuser ungeordnet in der Landschaft errichtet wurden. Das Dorf im Oberpfälzer Jura[4] des Freilandmuseums hat die Form eines unregelmäßigen Weilers, der aus kaum mehr als zwei Hofstellen besteht.

Die Felder Wiesen des Dorfes sind als terrassierte Streifenfluren in den Hang eingebaut, um vor der Erosion zu schützen. Die Äcker verteilen sich über drei Flurstücke (1) am Rand der Siedlung und werden im System der Dreifelderwirtschaft betrieben. Der steinige Boden in diesem Gebiet bedeutete viel harte Arbeit und doch wenig Erträge.

Den beiden Häusern, der Paulerverl (2) und der Urschlbauernhof (3) ist ein quadratischer Grundriss eigen: Ihr Erdgeschoss ist teilweise oder ganz aus Stein gemauert, das Obergeschoss in mittelfränkischer Fachwerkbauweise ausgeführt, für die die parallel zu Dachneigung laufenden Streben, die beim Kreuzen ein Andreaskreuz bilden, typisch sind. Dieses Fachwerk unterscheidet sich stark von jenem, das im Stiftland zu sehen ist. Die vorwiegend genutzten en Baumaterialien sind Holz und Kalkstein, das Material also, das vor Ort zu gewinnen ist und nicht über lange Wege und mit finanziellem Aufwand herbeigeschafft werden muss. Die Häuser sind Wohnstallhäuser mit einem gemeinsamen Eingang für Mensch und Tier, die Tiere erreichen ihre Stallplätze durch den Hausflur.

Weitere Bauten dieser Siedlung sind das Wirtshaus (4) – diese waren als Treffpunkt für die Dorfgemeinschaft typisch für größere Siedlungen -, die Kapelle als religiöser Mittelpunkt des Dorfes und das Hirtenhaus, in dem die Gemeindehirten lebten.

Die Nabburger Straße

Die Siedlungsgruppe an der Nabburger Straße[5] ist die jüngste des Museums. Die Gebäude hier unterscheiden sich grundlegend von denen der anderen Baugruppen: Sie sind vollständig aus Stein gemauert; beeinflusst von der Einführung der staatlichen Brandversicherung gab es keine Holzkonstruktionen in Block- oder Fachwerkbauweise. Diese Gebäude stammen aus der Zeit nach 1800 und damit aus einer Zeit des Umbruchs, die von einem technischen und sozialen Wandel geprägt war, der die Landwirtschaft und damit das Leben der Menschen auf dem Land massiv beeinflusste.

Viele Menschen der ländlichen Unterschichten wanderten für Arbeit in die Städte ab, die Eisenbahn verband nun viele Dörfer und ermöglichte neue und weitere Transportwege, Handelsorganisationen mit Zuschnitt auf Landwirtschaft und genossenschaftliches Bankenwesen nach Vorbild Wilhelm Raiffeisens wurden zu bedeutenden Partnern der Bauern. Nun, da Bauern von der Grundherrschaft und der damit verbudenen Abgabepflichten befreit waren, entwickelten sich ihre Höfe zu selbstständigen Wirtschaftsbetrieben. Die Gewohnheiten in Ackerbau und Viehhaltung veränderten sich, der Weidegang der Tiere ging Stück für Stück zurück in Stallhaltung über, die einstigen Weiden wurden nun für den Anbau von Futterpflanzen genutzt, der Anbau von Kartoffeln nahm zu.

Die Gebäude dieser Siedlungsgruppe spiegeln die Umbrüche ihrer Bauzeit wieder. Alte Höfe wie der Schallerhof (2) waren nicht groß genug für den Einsatz der neuen Landtechnik, zahlreiche Bauern mussten ihre Betriebe aufgeben. Auch die Handwerker wie Hufschmiede (1) oder Wagner mussten sich an die neun Bedingungen anpassen, jetzt, da mehr und mehr Bauern auf Maschinen umstiegen.

Es entstanden geräumige Betriebsgebäude an Stelle alter Bauernhäuser, viele Höfe wurden an die Ortsränder verlegt. Neue Gebäude und moderne Maschinen waren kostenintensiv, sodass sich zuweilen mehrere Bauern zusammenschlossen, um die Beträge aufzubringen. Ein Beispiel dafür ist der Dreschstadel (3), der, genau wie die dort stehende Dreschmaschine, von einer Dreschgenossenschaft, einem Zusammenschluss mehrerer Bauern, finanziert wurde. Die Genossenschaft übernahmen auch den Verkauf der Erzeugnisse ihrer Mitglieder wie etwa im Fall der Raiffeisenhalle (4).

Die Nabburger Straße soll in Zukunft um weitere Gebäude ergänzt werden, an denen die Entwicklungen der Dörfer im 20. Jahrhundert veranschaulicht werden können. Jetzt, im Frühjahr 2021, ist die Translozierung eines Stadels aus Frotzersricht im Gange, der auf die 1930er Jahre zu datieren ist. Die Größe dieses zwölf mal zwölf Meter messenden Stadels zeigt eindrucksvoll, welche Veränderungen in der Bauweise und vor allem Baugröße nötig waren, um die damals modernen landwirtschaftlichen Maschinen unterzubringen. 


[1] Vgl. Heimrath, Ralf / Moser, Günther / Angerer, Birgit: Oberpfälzer Freilandmuseum Neusath-Perschen. Häuser, Menschen, Geschichte. Amberg 2006. S. 19f.

[2] Vgl. Heimrath / Moser / Angerer 2006. S. 35.

[3] Vgl. Dies. S. 49f.

[4] Vgl. Heimrath / Moser / Angerer 2006. S. 57.

[5] Vgl. Heimrath / Moser / Angerer 2006. S. 69f.