Von Sauerteig und Backhäusl

Das Brotbacken in den vergangenen Jahrhunderten am Beispiel der Oberpfalz

Backofen Kohlbeckhof
Der Backofen am Kohlbeckhof (Foto: Felix Schäffer, FMo)

Brot gehört auch heute für viele Menschen zu ihrem täglichen Leben dazu: Ob Semmeln zum Frühstück, ein Sandwich als Stärkung zwischendurch oder ein kerniges Roggenbrot zum gemeinsamen Abendessen – Brot kommt bei den meisten regelmäßig auf den Tisch.

In der Oberpfalz (wie in zahlreichen anderen Regionen) haben das Backen und Essen von Brot eine lange Tradition. Von allen Speisen erhielt das Brot lange Zeit die größte Wertschätzung, ein Sprichwort bei Franz Xaver von Schönwerth besagt: „´s Braud is a Gab Gottas“.[1]

Eine Vielzahl von oberpfälzischen Bräuchen rund um´s Brot ist uns heute noch bekannt: So galt es als Zeichen der Annäherung, wenn ein junger Mann im Wirtshaus ein Mädchen an seinen Tisch einlud und ihr ein Stück seiner Semmel anbot. Nach der kirchlichen Trauung musste die Braut vor ihrem Eintritt ins eheliche Haus einen Laib Brot anschneiden, von den Nachbarinnen bekam sie Brot als Zeichen der Aufnahme in die Gesellschaft gereicht. Beim ersten Ackern wurde vom Bauern das sogenannte „Pflugbrot“ mit eingeackert, ein alter Brauch, der die Bodenfruchtbarkeit steigern sollte. Vor dem Anschneiden des Brotes wurde mit Daumen oder Messer ein Kreuz über dem Laib geschlagen. Das erste Brot aus einer neuen Ernte wurde zur Weihe in die Kirche gebracht. Um zu gewährleisten, dass das Brot gut gelänge, wurde es vor oder nach dem Backen zuweilen mit Weihwasser besprengt.[2]

Diese und viele andere das Brot betreffende Bräuche bezeugen die große Bedeutung dieses Nahrungsmittels für Mitmenschen der Vergangenheit. Und genau deshalb will der folgende Beitrag einen kleinen Querschnitt durch die vergangenen Jahrhunderte und die Geschichte des Brotbackens zeigen.

Der Backofen

Im Frühmittelalter bis hinein in das 12. Jahrhundert  bewirtschaftete die Grundherrschaft einen Großteil ihrer Besitzungen unmittelbar, was auch den grundherrlichen Backofen[3] miteinschloss. Dieser wurde meist gegen einen Geldzins, den sogenannten „Backofenzins“ verpachtet. Diese Öfen wurden von einem Hörigen, einem von Grundherrn abhängigen Bauern, bewirtschaftet. Daneben existierten schon im 9. Jahrhundert selbständige Handwerker, die ihr Brot auf den Märkten verkauften.

Mit der allmählichen Auflösung der Villikationsverfassung im ausgehenden Mittelalter ging die Notwendigkeit gemeindeeigener Backöfen einher, denn nun stand nicht mehr nur der Herrenhof im Zentrum, was ein selbstständigeres Wirtschaften der Bauern erlaubte. Für viele Regionen sind Gemeine-Backhäuser bezeugt, die oft pragmatisch mit gemeindeeigenen Waschhäusern, Dörreinrichtungen für Obst, Badstuben und sogar Wachlokalen oder Arrestzellen verbunden waren.

In der Oberpfalz gab es drei wesentliche Bauformen von Backöfen: den freistehenden Backofen, wie man ihn etwa auf den Urschlbauernhof im „Oberpfälzer Jura“ des Freilandmuseums Oberpfalz sehen kann; den angebauten Backofen, zu sehen beispielsweise auf dem Matzhof im „Stiftland“ des Freilandmuseums Oberpfalz und den ins Haus eingebauten Backofen. An- oder eigebaute Backöfen waren vor allem in den nördlichen und östlichen Teilen der Oberpfalz vertreten, freistehende vor allem in der wesentlichen Oberpfalz.[4]

Die Bautechnik der Öfen glich sich bei allen drei Typen im Wesentlichen, oft handelte es sich um kleine Bruchsteinbauten mit Ziegeldächern. Ältere Backöfen, wie der des Urschlbauernhofs, waren noch ohne Schornstein, hier zog der Rauch über den Ofenzug direkt über das Gewölbe in den Vorraum und schließlich nach draußen- Im 19. Jahrhundert traten dann Kamine an die Stelle des Ofenzuges.[5]

Schon früh stand beim Bau von Backöfen der Feuerschutz im Vordergrund; im Landrecht des Sachsenspiegels, eines der wichtigsten mittelalterlichen Rechtstexte aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts, heißt es bereits itlich sal ouch sinen oven bewirken une sine vurmuren, daz die vunken nicht en fliegen in eines anderen Mannes Hof ime zu schaden[6] („Ein jeder muss auch seinen Ofen und seine Vormauer so errichten, dass die Funken nicht in den Hof eines anderen Mannes fliegen und diesem schaden“).

Zusätzlich zu den feuerpolizeilichen Gesichtspunkten hatten viele Backöfen einen brannrechtlichen Charakter. Das galt zunächst für grundherrliche und später auch für genossenschaftliche Backöfen. Der sogenannte furnus bannalis war ein Ofen, dem eine alleinige Berechtigung eigen war, d.h. dass ähnlich wie bei einer Mühle jegliche Konkurrenz in diesem Gebiet ausgeschlossen war. Eine Verbindung von Mühle und Backofen konnte zwar vorkommen, war aber eher selten und, wenn sie denn vorkam, nur für die Herstellung von Schwarzbrot gedacht.

In Siedlungsgebieten mit offener Bauweise gab es dagegen Einzelbacköfen. Diese gehörten entweder zu einer einzigen Haustelle und wurden von deren Besitzer allein genutzt, oder sie unterlagen einer gemeinschaftlichen Nutzung, was für die Besitzer kleinerer Hausstellen üblich war.[7] Oft handelte es sich dabei um sogenannte „Backhäusl“, also einen wegen der Brandgefahr als kleines, separates Gebäude freistehenden Backofen.[8]

Sofern innerhalb einer Gemeinde gemeinsam gebacken wurde (etwa, wenn die Gemeinde keinen eigenen Bäcker beschäftigte), unterlag die Nutzung des gemeinschaftlichen Backofens geregelt und die Brote durch ihre Eigentümer gekennzeichnet werden. Letzteres geschah zum Beispiel durch das einstecken markierter Hölzchen oder das Einritzen von Mustern in den Teig. Die Backreihenfolge der Brote konnte durch Markierungen auf Kerbhölzern, in diesem Kontext „Brottesseln“ genannt, festgehalten werden.

Bevorzugte Backtage waren Mittwoch und Samstag; es war verpönt an Freitagen oder Rauhtagen zu backen.[9]

Im 19. Jahrhundert kamen die schon lange bekannten Gemeindebacköfen neu auf, wobei besonders Ersparnisgründe wie die Einsparung von Holz und Arbeitskraft eine wichtige Rolle spielten. Zwar verdrängte neue Gerätetechnik die Gemeindebacköfen bald wieder, doch vor allem in Notzeiten, etwa nach den beiden Weltkriegen, wurden sie auch weiterhin genutzt.

Das Brot

In der Oberpfalz gab es im Allgemeinen vor allem dunkles, kleienreiches Brot. Es wurden vorwiegend Roggen, aber auch Gerste und Hafer verbacken. Üblich war es, bei einem einzigen Backvorgang gleich verschiedene Sorten von Brot herzustellen. Schwarzbrot war für den alltäglichen Gebrauch gedacht, helles Brot für Feiertage, als Knödelbrot, Fastenspeise oder für Kranke.[10]

Auch Kleingebäck war in verschiedenen Formen verbreitet. Schon seit der Karolingerzeit aß man Semmeln aus Weizenmehl, aus dem 11. Jahrhundert sind die Semmeln als Klostergebäck bezeugt. sie dienten als Geschenk sowohl für Vorgesetzte als auch Untergebene, als Armen- oder Krankenspeise und wurden zu besonderen Anlässen im Lebenszyklus eines Menschen wie Geburt, Hochzeit und sogar Tod gereicht. Entgegen unserer heutigen Vorstellung handelte es sich bei den Semmeln damals um deutlich größere Laibe[11] Zudem gibt es Belege für diverse Kleinbrote, die heute nicht einmal mehr dem Namen nach bekannt sind, zum Beispiel die sogenannten „Bäzbuben“.[12]

Wenn kurz vor der nächsten Ernte die Vorräte zur Neige gingen oder man sich in einer Notzeit befand, dann wurden dem Roggenmehl Gerste, Hafer oder andere Beigaben untergemischt, um den Teig zu strecken. Auch Kartoffeln wurden dem Mehl häufig beigemischt, was nicht nur den Teig mehren sollte, sondern auch zu einer längeren Haltbarkeit der Brote beitrug.[13]

Der Backvorgang

Gebacken[14] wurde in für uns heute überraschend großen Abständen: Man buk alle 14 Tage, oft sogar in noch größeren Zeitabständen von bis zu ein oder zwei Monaten. Das Backen war Aufgabe der Frauen, nur bei kraftaufwändigen Arbeitsschritten wie dem langen Kneten des Teiges half zuweilen der Bauer.[15]

Essenziell für den Backvorgang war der Sauerteig, der jeweils vom vorhergehenden Backvorgang zurückbehalten wurde. Es war nicht unüblich, vor dem Anmachen einige Spritzer Weihwasser an den Sauerteig zu geben, um eine bessere Gärung zu garantieren.

Am Vorabend des Backtages wurde „andampfelt“: Mit dem Sauerteig säuerte man einen dünnen Mehlbrei an. Das Mehl kam in einen Backzuber, der in die Nähe des Ofens geschoben wurde. Dieses sogenannte „Dampfl“ wurde am nächsten Morgen zum Mehl gegeben, mit Wasser vermengt und durchgeknetet – dieser Teil des Teiges war nun „eing´macht“. Das Einmachen konnte andernorts auch bereits am Vorabend erfolgen. Man würzte mit Salz, Kümmel, manchmal auch Anis oder Fenchel. Nach einigen Stunden wurde erneut geknetet, die richtige Beschaffenheit des Teiges war erreicht, wenn er nicht mehr an den Fingern klebte. Als nächster Schritt erfolgte das „Ausmachen“: Der Teig wurde auf einem Nudelbrett geteilt, zu Laiben geformt und in bemehlte Schüsseln aus Strohgeflecht, die „Backkrätzel“, gegeben.

Nun musste der Backofen in Betrieb genommen werden: Über Reisig oder Spänen wurde ein Kreuzstoß aus langen Scheiten errichtet, der ein bis zwei Stunden vor dem „Einschließen“ der Brote in den Ofen angezündet wurde. Mit der sogenannten „Backrucke“ wurde die Glut gleichmäßig im Ofen verteilt. War die gewünschte Hitze erreicht, wurde entweder das Feuer ganz herausgenommen oder nach hinten geschoben, die Backfläche wurde mit einem „Kehrwisch“ aus Stroh oder Reisig ausgewischt. Die richtige Hitze wurde mithilfe dreier Ähren getestet, die mit der Backschaufel in den Ofen eingeführt wurden. Bei den Ähren handelt es sich um ein altes Heil- und Schutzsymbol, dieser Schritt hatte also nicht nur einen pragmatischen Hintergrund. Verkohlten die Ähren nicht, dann war die Hitze richtig für das Brot.

Anschließend wurden die Laibe aus ihren Körben auf die Backschaufel gekippt und in den Ofen „eingeschossen“. Hierbei musste es schnell gehen, damit alle Brote in etwa die gleiche Backzeit von ein bis zwei Stunden bekamen und der Ofen nicht auskühlte, bevor die Brote durchgebacken waren.

Das fertige Brot konnte entweder liegend oder in einer „Brotrehme“ aufbewahrt werden, einem Gestell, das an der Decke befestigt war; hier bestand der Vorteil, dass das Brot besser trocken gehalten wurde und sich außer Reichweite von Ungeziefer wie Mäusen befand. Eine solche sachgemäße Lagerung war wichtig, denn die Brote mussten über die langen Abstände zwischen den Backtagen haltbar bleiben.

So schmeckt´s

Auf dem Land war es eher unüblich, Schwarzbrot vor dem Verzehr[16] zu bestreichen. Eine seltene Ausnahme stellte das Butterbrot („Broutaschmalz“) dar und auch für die Kinder wurde als besondere Leckerei ab und zu etwas Rübensirup als Aufstrich benutzt.

Das Weißbrot, das ja ohnehin eher als Speise für besondere Anlässe galt, wurde auch als Grundlage verschiedener Hauptgerichte und Beilagen verwendet: Man bereitete Knödel aus geschnittenen Semmeln zu, aß „gebähte“, also geschnittene und leicht geröstete, Semmeln als Suppeneinlage oder verarbeitete Semmeln und Weißbrotwecken zu „Semmelschnitten“. Die Semmelscheiben wurden dazu in aufgeklopften, etwas gesalzenen Eiern getränkt und in Schmalz aufgebacken und anschließend zu Met oder Hutzelbrüh, inzwischen mit Kompott gegessen. Solche „Schnittln“ sind noch heute eine beliebte Fastenspeise in der Oberpfalz.

Übrigens: Wer authentisches Bauernbrot aus einem historischen Holzofen selbst probieren möchte, sollte Sonntags während der Saison im Freilandmuseum Oberpfalz vorbeischauen. Museumsbäcker Roland Paulus backt dann nämlich sein handgemachtes Holzofenbrot nach traditionellen Rezept.


[1] Vgl. Benker, Gertrud: Essen und Trinken in der ländlichen Oberpfalz (Schriftenreihe „Oberpfälzer Freilandmuseum“ 6. Regensburg 1990. S. 11.

[2] Vgl. a.a.O.

[3] Vgl. Schempf, Herbert: Backofen. In: HRG 1 (2008). Sp. 398-400).

[4] Vgl. Neugebauer, Manfred: Oberpfälzer Freilandmuseum Neusath-Perschen (Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern 4; Schriftenreihe „Oberpfälzer Freilandmuseum“ 1). München 1995. S. 30.

[5] Vgl. a.a.O.

[6] Sachsenspiegel Ldr. II, 51,2. In: Sachsenspiegel. Landrecht und Lehnrecht. Hrsg. von Friedrich Ebel. Stuttgart 1999.

[7] Vgl. Neugebauer 1995. S. 30.

[8] Vgl. Riepl, Reinhard: Lemma Backhäusl. In: Wörterbuch zu Familien und Heimatforschung in Bayern und Österreich. Waldkraiburg 2003. S. 42.

[9] Vgl. Benker 1990. S. 13.

[10] Vgl. Benker 1990. S. 11.

[11] Vgl. Dies. S. 13.

[12] Vgl. Dies S. 15.

[13] Vgl. Dies. D. 12.

[14] Vgl. Dies. S. 12f.

[15] Vgl. Neugebauer 1995. S. 30.

[16] Benker 1990. S. 13-15.