Gut und günstig: der neue LernHof Köstlerwenzel

Mit dem LernHof Köstlerwenzel hat das Freilandmuseum Oberpfalz ein herausforderndes Bauprojekt auf den Weg gebracht. Der Neubau soll nicht nur funktional sein und sich auf dem Museumsgelände in den historischen Bestand einfügen ohne dabei zu historisieren, sondern auch hohen ökologischen Ansprüchen genügen  – und rein durch Spenden finanziert werden. 

Ausgangslage

Die Museumspädagogik des Freilandmuseums Oberpfalz verfügt derzeit zur Durchführung von Programmen und Workshops über lediglich einen Raum im Obergeschoss eines translozierten Gebäudes, dem „Denkenbauernhof“. Aufgrund der historischen Bausubstanz, der schwierigen Erreichbarkeit über eine schmale Stiege, der aufgrund der kleinen Fensteröffnungen mangelhaften natürlichen Belichtung, der niedrigen Decken und der fehlenden Heizung erfüllt dieser Raum nicht mehr die Anforderungen einer zeitgemäßen Vermittlungsarbeit.

Außerdem besteht seitens der Vermittlungskräfte der Bedarf an einem Differenzierungsraum, einem Lagerraum für Materialien und Werkzeuge sowie an einer Lehrküche. Für Workshops zum Thema Backen, Kochen oder Konservieren wurde bisher die Küche eines anderen historischen Wohnstallhauses genutzt. Neben dem logistischen Aufwand bei der Vor- und Nachbereitung führt das Anheizen der historischen Öfen und Herde sowie das Kochen vor Ort auch zu einem permanenten Spannungsverhältnis zwischen museumspädagogischer Nutzung und musealer Konservierung. Zudem ist das Einhalten der einschlägigen Hygiene- und Arbeitssicherheitsvorschriften in den historischen „Kucheln“ problematisch. Insofern ist die Schaffung neuer, funktionaler Räume für die Vermittlungsarbeit dringend notwendig.

Planungsziele LernHof Köstlerwenzel

Für die Planung des Neubaus konnte im Rahmen eines Forschungsprojektes der Architekt Max Otto Zitzelsberger, Junior-Professor für Tektonik im Holzbau an der TU Kaiserslautern, vormals akademischer Rat bei Florian Nagler an der TU München, gewonnen werden. Planer und Museum formulierten gemeinsam die Planungsziele.

  1. Funktion und Gestaltung: vorrangig ist die Unterbringung des seitens der Vermittlung aufgestellten Raumprogramms mit barrierefreien Gruppenräumen und Übernachtungsmöglichkeit für Gruppen und Schulklassen, WCs und Lagerräumen. Die Gestaltung und das Selbstverständnis des Gebäudes werden aus dem historischen Vorgängerbau entwickelt. Ziel ist es, ein einfaches, dem gestalterischen Duktus und der inhärenten Logik eines Oberpfälzer Wohnstallhauses entsprechendes Bauwerk, welches sich in den Bestand des Museumsgeländes einfügt, zu entwerfen.
  2. Nachhaltigkeit: Das Gebäude soll mit nachwachsenden lokalen und regionalen Rohstoffen, und mit möglichst wenig „grauer Energie“ errichtet und betrieben werden. Idealerweise bindet es sogar CO2. Das Gebäude soll möglichst wenig Fläche versiegeln sowie vollständig reversibel und recyclebar sein.
  3. Einfachheit: das Gebäude wird mit den Mitteln des Museumsbauhofes handwerklich errichtet. Es verfügt über möglichst wenige und klein dimensionierte technische Anlagen. Die Folgekosten für Energie, Reinigung und Instandhaltung sollen minimiert werden.
Das einzige Foto des 1982 abgebrannte Haupthauses, undatiert, Foto: Freilandmuseum Oberpfalz.
Das einzige Foto des 1982 abgebrannte Haupthauses, undatiert, Foto: Freilandmuseum Oberpfalz.

Der Köstlerwenzel-Hof

Zwischen 2010 und 2017 wurde im Freilandmuseum Oberpfalz ein Vierseithof, der ursprünglich aus dem Neualbenreuther Ortsteil Rennermühle stammt, als Teil der Baugruppe Stiftland errichtet. Er setzte sich ursprünglich aus einer Scheune (erbaut 1763), einer hölzernen Remise (1764), einer teilgemauerten Remise mit Fachwerkaufbau (1783) und einem Wohnstallhaus (ebenfalls 18. Jahrhundert) zusammen. Allerdings brannte das Haupthaus bereits 1982 vollständig ab. Das Obergeschoss der teilgemauerten Remise wurde im 19. Jahrhundert zu einer Austragswohnung erweitert und stand als einziges Gebäude der Hofanlage unter Denkmalschutz. Gegen Ende des Jahres 2000 baten die Gemeinde Neualbenreuth und der Zweckverband Sibyllenbad, dem auch der Bezirk Oberpfalz angehört, das Freilandmuseum Oberpfalz um Übernahme der einsturzgefährdeten Gebäude. Es war von Anfang an geplant, diese für museumspädagogische Aktivitäten zu nutzen. Ab 2012 wurden im Freilandmuseum zunächst die hölzerne Remise und der Stadel wiedererrichtet, der Wiederaufbau der gemauerten Remise wurde 2017 beendet. Obgleich kurzfristig eine Rekonstruktion des Wohnstallhauses zur Diskussion stand, so nahm das Museum von dieser Idee schnell wieder Abstand. Stattdessen soll das Ensemble in den nächsten Jahren nun mit einer zeitgemäßen Architektur wieder vervollständigt werden.

Der ehemalige Vierseithof im derzeitigen Zustand auf dem Gelände des Freilandmuseums Oberpfalz. Foto: Marco Linke, manntau
Der ehemalige Vierseithof im derzeitigen Zustand auf dem Gelände des Freilandmuseums Oberpfalz. Foto: Marco Linke, manntau

Entwurfsplanung

Die vorliegende Entwurfsplanung sieht ein klassisches Satteldachhaus in Holzbauweise mit zwei Anbauten vor. Das Gebäude gründet auf einem kostengünstigen und nur wenig Bodenfläche versiegelnden Punktfundament. Die Luftschicht zwischen Erdboden und Gebäude bietet zudem eine zusätzliche Isolation gegen Kälte und Feuchtigkeit und ist Teil des konstruktiven Holzschutzkonzeptes, welches im gesamten Gebäude zur Anwendung kommt.

Der Neubau vervollständigt den ehemaligen Vierseithof, Entwurf: Max O. Zitzelsberger
Der Neubau vervollständigt den ehemaligen Vierseithof, Entwurf: Max O. Zitzelsberger

Der gedämmte Holzständerbau besteht aus einheitlichen, gleichen Holzelementen, welche vorgefertigt werden können. Die Formen und Holzverbindungen orientieren sich an klassischen Zimmermannstechniken, jedoch mit den Mitteln der Gegenwart. Es kommen weder sehr lange Hölzer oder Hölzer mit großen Querschnitten noch Leimbinder zum Einsatz. Aufgrund dessen kann der Rohbau mit Holz, welches im Museumsgelände geschlagen wurde, errichtet werden.

Klassischer Holzbau mit den Mitteln der Gegenwart

Im Inneren des Gebäudes bleiben die konstruktiven Elemente des Holzständerbaus weitgehend sichtbar. Im Gegensatz zum konventionellen Holzbau, wo Ständer und Binder heute hinter verputzten Trockenbauwänden versteckt werden, steht das Haus selbstbewusst zu seiner Materialität. Zudem entsteht ein spannender gestalterischer Kontrast zwischen der Außenhaut und dem Innenraum. 

Die Außenhaut des Hauptbaukörpers wird aus Lehmschindeln gebildet. Damit hebt sich das Gebäude klar von den historischen Bestandsbauten ab. Diese Fassade ist sehr kostengünstig in der Herstellung, witterungsbeständig und wartungsarm. Neben den bauphysikalischen Eigenschaften von Lehm stellt dieser Baustoff auch einen Bezug zu den Bestandsbauten her. Die Lehmschindeln werden im Rahmen von museumspädagogischen Workshops vor Ort hergestellt und gestaltet.

Ansicht Giebelseite: Die Fassade des Hauptbaukörpers wird mit Lehmschindel bedeckt. Entwurf: Max O. Zitzelsberger
Ansicht Giebelseite: Die Fassade des Hauptbaukörpers wird mit Lehmschindel bedeckt. Entwurf: Max O. Zitzelsberger

Die Kubatur des neuen Gebäudes entspricht dem des ursprünglichen Wohnstallhaus. Ebenso wie dieses öffnet sich der Neubau zum Innenhof der Vierseitanlage hin und wird von dort mit einer Rampe erschlossen. Das rollstuhlgerechte Erdgeschoss besteht aus zwei Gruppenräumen, welche mit einer elektrischen Temperierung und einem Holzofen ausgestattet sind. In den Anbauten sind die Sanitärräume sowie das rollstuhlgerechte Schlafzimmer untergebracht.

Im Obergeschoss befinden sich zwei durch eine Wendeltreppe erschlossene Schlafräume mit Matratzenlagern für Gruppen. Im Dachgeschoss ist ein großer Lagerraum ausgebildet, welcher über die zentrale Spindeltreppe sowie über zwei Luken an den Giebelseiten beschickt werden kann.

Der Schnitt zeigt die zentrale Spindeltreppe sowie die großen Räume im Erd- und Obergeschoss, Entwurf Max O. Zitzelsberger
Der Schnitt zeigt die zentrale Spindeltreppe sowie die großen Räume im Erd- und Obergeschoss, Entwurf Max O. Zitzelsberger

Ein wichtiges Kriterium der Entwurfsplanung dieses Projektes ist die Kostenoptimierung. Während bestimmte Ausgaben, etwa für die Brandschutzanlage, schlicht notwendig sind, wurde bereits bei der Planung versucht, in allen Bereichen möglichst einfache, günstige und dennoch wertige Lösungen zu finden. Dieses „Sparen an allen Ecken und Enden“ wird jedoch nicht als defizitär empfunden, sondern als Herausforderung und Hommage an ressourcensparende, historische Bauweisen verstanden. So werden etwa die Holzelemente mit einfachen Nagelplatten verbunden, das Dach wird mit Titanzinkblech belegt und die Elektroinstallation auf Putz verlegt. Das Holz für den Rohbau wird sogar direkt aus dem Wald des Museumsgeländes gewonnen.

Museumslandwirt Markus Keil fällt im Zuge der Baumpflege die für den Köstlerwenzel markierten Bäume. Foto: Felix Schäffer, FMO
Museumslandwirt Markus Keil fällt im Zuge der Baumpflege die für den Köstlerwenzel markierten Bäume. Foto: Felix Schäffer, FMO

Ein weiterer wichtiger Punkt im Rahmen dieser Strategie ist die Minimierung technischer Anlagen, vor allem hinsichtlich der Klimatisierung und Heizung. In konventionellen Wohn- und Gewerbebauten sind diese Anlagen so dimensioniert, dass sie auch bei sehr kaltem oder sehr heißem Wetter ein konstantes Wohnraumklima herstellen können. Da dies bei einem museumspädagogischen Gebäude in einem Freilandmuseum, welches von Dezember bis Februar in der Regel geschlossen ist, nicht notwendig ist, reicht im Winter eine sehr klein dimensionierte Wandsockelheizung als Frostschutz und zwei Holzhöfen zum Zuheizen in den Übergangsmonaten aus. Auf eine Klimatisierung wird vollständig verzichtet, der Bau orientiert sich hier ebenfalls an historischen Strategien des Wärmemanagements, etwa in dem die Fensterflächen relativ klein ausfallen. Viele geplante Details führen auch zur Verringerung der Folgekosten und des späteren Energieverbrauches des Gebäudes.

Das Haus öffnet sich in der Logik der Vierseitanlage zum Hofraum hin. Entwurf: Max O. Zitzelsberger
Das Haus öffnet sich in der Logik der Vierseitanlage zum Hofraum hin. Entwurf: Max O. Zitzelsberger

Zeitplan und Ausblick

Im Juni 2021 wird der Bau mit der Errichtung der Fundamentierung beginnen. Im folgenden Winter werden die Elemente des Ständerwerks in der Zimmerei des Museums vorgefertigt und im Sommer des folgenden Jahrs soll der Rohbau aufgerichtet werden. Der Innenausbau folgt 2023 und die Fertigstellung ist für 2024 geplant. Dieser lange Zeitraum ist bewusst gewählt. Zum einen muss der Museumsbauhof dieses Projekt neben den vorrangigen Konservierungsarbeiten der historischen Gebäude stemmen, zum anderen wird der Köstlerwenzel bereits ab dem ersten Spatenstich Ort und Mittel der Vermittlungsarbeit sein. Auf der „lernenden Baustelle“ sollen etwa die Mitglieder des Museumsvereins, Studierende, Schülerinnen und Schüler, sowie Teilnehmende an Ferienprogrammen, Workshops und Kursen an den einzelnen Arbeitsschritten beteiligt werden, so dass zum Schluss möglichst viele Menschen das neue Gebäude als „ihrem“ Köstlerwenzel begreifen.


Tobias Hammerl, Dr. phil., M.A., geboren 1977, leitet seit 2020 das Freilandmuseum Oberpfalz. Er studierte Volkskunde, Scottish Ethnology, Geschichte und Kunstgeschichte an den Universitäten Regensburg und Edinburgh. Von 2006 bis 2019 war er Leiter des Stadtmuseums Abensberg. Er nahm in der Vergangenheit Lehraufträge an der Universität Passau wahr und war Gastdozent an der Universität Würzburg. Derzeit ist er Lehrbeauftragter am Lehrstuhl für Vergleichende Kulturwissenschaft an der Universität Regensburg. Seine Forschungsschwerpunkte sind Spiel-, Bild- und Sachkulturforschung sowie museologische Themen.

2 Kommentare zu „Gut und günstig: der neue LernHof Köstlerwenzel

  1. Sehr geehrter Herr Dr. Karl,
    weil die Lehmziegel kostengünstiger und ökologischer sind. Zudem macht es sicher Spaß, die Fassade mit den BesucherInnen zusammen herzustellen .
    Beste Grüße
    Tobias Hammerl