Zeitgenossen – Ein autobiographischer Text von Joseph von Hazzi?
Im kommenden Jahr würde der gebürtige Abensberger Joseph Ritter von Hazzi seinen 250. Geburtstag feiern. Eine der wichtigsten Quellen über sein Leben ist seine Autobiographie, welche im Original leider verschollen ist, aber in Form eines Typoskriptes, das der Abensberger Museumsleiter und Kreisheimatpfleger Alfons Lister anfertigte, tradiert wurde und das von Reinhard Heydenreuter und Egon J. Greipel[1] veröffentlicht wurde. Leider bricht diese lebendige und sehr anschauliche Autobiographie unvermittelt, sehr zum Bedauern des Lesers, ab. Umso interessanter ist der Vergleich dieser Autobiographie mit einem Text aus dem Jahr 1823, welcher nahe legt, dass dessen unbekannter Autor das ursprüngliche entweder kannte und als Vorlage nutzte oder die beiden Texte aus der selben Feder stammen und somit Hazzi selbst den Text verfasst hat. Doch zunächst zur Vita des Abensberger Maurersohns Joseph von Hazzi.
Hazzis Vita
Jospeh Hazzi wurde am 12. Februar 1768 als Sohn des Abensberger Maurermeisters Adam Hazzi geboren. Seiner Geburt voraus ging ein dramatisches Ereignis: „Meine Mutter fiel drei Tage vor meiner Geburt in die gefrorene Abens, ein kleiner Fluss, sie war schon unter dem Eise begraben, als zufällig Leute Zeugen der Szene gewesen und sie gerettet haben. Weltlich und Geistlich prophezeite nun dieser Leibesfrucht sonderbare Dinge. Kaum geboren, ward ich mit Skapulieren und Andenken von geistlichen Herren, vorzüglich den Karmeliten behangen, die in mir oder mich selbst als den leibhaftigen Teufel ahnten. Ich erinnere mich noch, wie mir zu oft in der ersten Jugend meine Mutter im Zorne diese Vorwürfe machte.“ Angesichts dieser ersten Erfahrungen mit der spätbarocken Geistlichkeit, ist es nicht weiter verwunderlich, dass Joseph Hazzi sein Leben lang den kirchlichen Institutionen eher reserviert um nicht zu sagen ablehnend gegenüber stand.
Nach der Schule in Abensberg besuchte der begabte Hazzi zunächst zwei Jahre als Singknabe das Augustiner-Chorherrenstift in Rohr. 1779, im Alter von elf Jahren wechselte er an die Realschule und das Gymnasium in München. Aufgrund seiner guten Leistungen gewährte ihm der bayerische Kurfürst Karl Theodor ein dreijähriges Stipendium. Damit studierte Hazzi ab 1786 Rechtswissenschaft und Physik an der Universität Ingolstadt.
Seine erste Anstellung hatte er als Praktikant am Pfleggericht Abensberg. In seinen Jugenderinnerungen beschreibt Hazzi einen Gerichtstag, an dem nicht weniger als 300 (!) Verfahren abgehandelt wurden und dass „der gestrenge Herr Pflegekommissar“, also der Vorsitzende Richter, dabei nicht lange fackelte: „Es geht an! Da bellten zwei große Fanghunde, die außer der Tür mit dem Schergenknecht waren, die Leute liefen auseinander. Er rief also Partei Nr. 1. Das war ein Verbal- und Real-Injurien Handel gewesen, ein Mann, dann Mann, Weib und Tochter. Wie nun sie den Fuß über die Schwelle setzten, fingen sie die alten Beschimpfungen an und wollten einander in die Haare, sie schäumten vor Wut. Der gestrenge Herr sagte kein Wort, ließ sie so ein paar Minuten einander abtoben, er nahm den Bleistift und bemerkte im Buch auf der Nummer: Jeden 1 Pfund Pfennig. Er rief nun: Jeden 1 Pfund und an Abschied (ist auch ein Summ Geldes). Da kam der Michel hervor und wollte sie zurückziehen. Da konnten die Leute am wenigsten begreifen, dass nun alles schon untersucht und gerichtet sei. Der Michel: machts, sonst wird´s ärger, der gestrenge Herr hat mehr zu tun.“ Laut Hazzis Schilderungen wurde der Gerichtstag traditionell mit einem ausgiebigen Besuch einer der zehn Abensberger Brauereien und einem kollektiven Rausch abgeschlossen.
1792 trat Hazzi als Fiskalrat in den Staatsdienst ein. Ermöglicht hatte ihm dies die Verlobung mit der Tochter Hofgerichtsadvokaten von Speckner. 1794 wechselte er zur Forstkammer. Dieser Wechsel sollte in zweierlei Hinsicht für sein weiteres Leben wichtig sein: Zum einen kam er erstmalig mit Land- und Forstwirtschaft in Verbindung und zum anderen bereiste er in seiner Funktion ganz Bayern, was ihn zu einem ausgezeichneten Kenner des Landes machte. Ihm oblag unter anderem die Trockenlegung von Mooren, Verteilung von Gemeindegründen und öder Güter, die Bewilligung von Hausbau und Siedlungen und die Verbesserung der Zehentordnungen.
Er unternahm zahlreiche Reisen, verkaufte unrentable Staatswälder und reformierte das Forstrecht. Er forderte sogar eine Kanalverbindung von Rhein und Donau um die wirtschaftliche Lage Bayerns zu verbessern. Zudem veröffentlichte er theoretische Schriften, mit denen er seine Reformen untermauerte.
Seine detaillierten Kenntnisse des Kurfürstentums ermöglichten es ihm, die herausragenden „Statistische Aufschlüsse über das Herzogthum Baiern aus den Quellen geschöpft“ zu verfassen. In diesem umfangreichen Werk, welches zwischen 1801 und 1808 veröffentlicht wurde, gibt er eine detaillierte Beschreibung Bayerns ab. Auch in diesem Buch greift er im Übrigen die überkommene Ordnung und vor allem den Klerus und kirchliche Bräuche scharf an. Diese aufklärerische Sichtweise brachte ihn nicht zuletzt bei Adel und Klerus in Misskredit. Ab 1796 war Hazzi wirklicher Hofkammerrat, ab 1799 Landesdirektionsrat und damit Mitglied des höchsten kurfürstlichen Regierungsgremiums.
Während der Koalitionskriege trat Hazzi in französische Dienste ein, zunächst als Marschkommissar der Grande Armee. 1806 kehrte er Bayern vorerst endgültig den Rücken und trat in die Dienst von Joachim Murat ein und wurde Staatsrat des Großherzogtums Berg. 1812 musste er jedoch nach München zurückkehren, wo er erst nach langen Bittgesuchen wieder in den Staatsdienst aufgenommen wurde und auch dann nur in untergeordneter Stellung. Erst 1816 wurde sein von Murat verliehener Adelstitel durch den Bayerischen König bestätigt. 1818 versetzte ihn der König vorzeitig in den Ruhestand.
Die letzten 25 Jahre seines Lebens widmete sich Joseph von Hazzi vor allem der Agrarpolitik. 1817 trat er dem Landwirtschaftlichen Verein Baiern bei und gestaltete diesen maßgeblich mit. Er war der „eigentliche Exponent der Aufklärung in der Agrarpolitik“. Er verfasste theoretische Schriften und setzte diese auf dem Schlossgut Elkofen, das seine zweite Frau Gräfin Josepha Basselet de La Rosée mit in die Ehe gebracht hatte, um. Hazzi starb 1845 und liegt auf dem Friedhof Oberelkofen bei Grafing begraben. Er gilt nicht nur als Stammvater der bayerischen Statistik, sondern als einer der wichtigsten Reformer der bayerischen Land- und Forstwirtschaft.
Ein autobiographischer Text?
Im Zuge der Recherchearbeit zu Hazzis Leben stieß der Autor auf den teilweise bereits bekannten Text, der 1823 in der Reihe „Zeitgenossen“ des Verlages Brockhaus, Leipzig veröffentlicht wurde. (siehe Anm. 2) Aufgrund des Textvergleiches mit der Hazzischen Autobiographie ist anzunehmen, dass der Autor des Textes von 1823 das Manuskript von Hazzis kannte. Sowohl die sehr ähnliche Erzählstruktur der beiden Texte, der gemeinsame Sprachduktus als auch das gerüttelte Maß an Eigenlob in beiden Schriften fallen beim parallelen Lesen der beiden Texte auf. Auch kennt der Text aus den Zeitgenossen die gleichen teils sehr privaten Details wie das Typoskript von Listl. So ist nach beiden Texten Hazzi zum Vorsteher im Seminar in München gewählt worden und dass er sich in dieser Funktion bei seinen Mitschülern sehr beliebt gemacht und „manche zweckmäßige, zu einer vernnüftigen Freiheit leitende Einrichtungen“ eingeführt hat. Auch andere Gegebenheiten, etwa wie er sich ein Stipendium verschaffte, finden sich in beiden Texten ebenso wieder wie die doch sehr private Nachricht, dass Hazzi eigentlich die schöne Creszenz von Setzger heiraten wollte, aber mit deren tugendhafter, doch weniger anmutigen Schwester Therese vorlieb nehmen musste (S. 199 in Heydenreuther/Greipel und S. 144 in den Zeitgenossen). Sogar dass Hazzi während des Studiums in Ingolstadt für nur 7 Kr. zu Mittag aß und dass er von seiner Hauswirtin nicht einheizen ließ, wissen beiden Texte gleich zu berichten (S. 183 in Heydenreuter/Greipel bzw. 142 in den Zeitgenossen). Diese Analogien sprechen dafür, dass der Verfasser des Textes von 1823 Hazzis Autograph, welches Heydenreuther/Greipel auf kurz nach 1796 datieren, kannte und diesem als Vorlage diente. Am wahrscheinlichsten ist, dass Hazzi auch den Text in den Zeitgenossen schlicht und ergreifend selbst angefertigt hat und dabei auf seinen älteren Text zurückgriff.
Da jedoch der Berichtszeitraum des zweiten Textes bis ins Jahr 1822 reicht und auch kein erzählerischer Bruch feststellbar ist, könnte man sogar die These in den Raum stellen, dass die Datierung, die Heydenreuther/Greipel gewählt haben, zu früh angesetzt ist. Demzufolge wäre die verschollene Autobiographie Hazzis erst später entstanden und wäre wohl weit umfangreicher gewesen, als bisher angenommen. Vielleicht war die Anfrage des Brockhaus-Verlages sogar das Initial für das Niederschreiben der Autobiographie.
Auch wenn der Text von 1823 in den Zeitgenossen deutlich gekürzt und auch nicht annähernd mit der Plastizität der Originalautobiographie konkurrieren kann, so gibt er dem Leser dennoch einen vage Vorstellung, wie die vollständige Autobiographie Hazzis ausgesehen haben mag und bringt uns die Sichtweise Hazzis auf seinen Lebensweg nach 1796 sehr viel näher.
[1] Greipel, Egon J., Heydenreuter, Reinhard (Hg.): Die Jugenderinnerungen des Joseph von Hazzi. In: Ackermann, Konrad, Schmid, Alois, Volkert, Wilhelm (Hg.): Bayern. Vom Stamm zum Staat, Festschrift für Andreas Kraus. Bd. 2, München 2002, S. 143–203.
[2] O.A.: Zeitgenossen : Biographien u. Charakteristiken. Neue Reihe, Bd. 3, Leipzig 1823, S. 140-157. Hier online.