Preisgekrönt: Das „ZukunftsBauHaus“

vo. li.: Dr. Tobias Hammerl (Freilandmuseum Oberpfalz), Bettina Kraus (Freilandmuseum Oberpfalz), Alexandra Konda, Mechthild Fischer, Ingrid Fischer, Dr. Christine Müller-Horn, Dr. Ingo Krüger, Dr. Kerstin Batzel, MdL Markus Blume, © Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern, Foto: Johanna Schmidt

Alle zwei Jahre zeichnet die Bayerischen Sparkassenstiftung und die Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern innovative und beispielgebende museumspädagogische Projekte mit dem Förderpreis „Vermittlung im Museum aus. Der mit 10.000 € dotierte Hauptpreis am im Rahmen des Bayerischen Museumstags 2023 in Anwesenheit von Staatsminister MdL Markus Blume an das Freilandmuseum Oberpfalz für das Projekt „ZukunftsBauHaus“ verliehen. Doch was genau ist das „ZukunftsBauHaus“?

Das Projekt „ZukunftsBauHaus“

Die derzeitigen architektonischen und städtebaulichen Ideen und Konzepte, auf deren Basis zumindest seit dem 2. Weltkrieg Gebäude errichtet und Orte geplant wurden, stellen sich als nicht mehr zukunftsfähig heraus: die funktionale Fragmentierung der Siedlungen hat tradierte soziale Gefüge zerstört. Der autogerechte Ort und der Traum vom Eigenheim mit Abstandsgrün fördert Suburbanisierung und Flächenfraß, identitäts- und gemeinschaftsstiftende Ortsmitten wurden zu dysfunktionalen Parkplatzwüstungen. Auch die immer kürzer werdenden Lebenszyklen von Bauwerken und der permanenten Vernichtung von grauer Energie ist aufgrund der Klimakatastrophe, sondern auch aufgrund von Energie- und Rohstoffknappheit ein Auslaufmodell.

Der gesellschaftliche Diskurs rund um das Thema „Bauen der Zukunft“ befindet sich jedoch noch am Anfang. Dabei wird die „Bauwende“ eine mindestens genauso große Herausforderung werden wie es andere Transformationsprozesse, etwa die Mobilitätswende oder der Energiewende, bereits sind. Vor allem wenn es um die eigenen vier Wände geht, ist es dabei aber wichtig, möglichst breite Bevölkerungsschichten am Diskurs zu beteiligen.

Das Projekt „ZukunftsBauHaus“ möchte dazu aus architekturhistorischer und baukultureller Sicht Input und Anstoß geben, um so das Thema „Bauen der Zukunft“ im Museum, aber auch außerhalb, etwa an Schulen, aufzugreifen und in den Fokus zu nehmen. Ausgehend von der Betrachtung historischer Bauformen und planerische Grundsätze, geht dabei zum Beispiel um folgende Fragen: Wie wird gebaut? Nach welcher Logik werden Gebäude und Städte geplant? Welche Funktionen muss, soll oder kann ein Gebäude erfüllen? Welche Materialien wurden und werden verwendet? Warum bauen wir heute so, wie wir bauen? Und wie kann die nachhaltige Baukultur der Zukunft aussehen? Wir wollen mit dem ZukunftsBauHaus zum einen die historische Dimension des Bauens, vor allem auch im ländlichen Raum, vermitteln und gleichzeitig Impulse für die zukünftige „Bauwende“ geben.

Der Bausatz ZukunftsBauHaus

Als Einstieg in den Workshop bzw. das Projekt errichten die Gruppen ein eigenes Gebäude, welches sowohl als Medium als auch als Vermittlungsraum dient. Der Bausatz vereint historische Bautechnik (z.B. Fachwerk oder Blockbau) mit gegenwärtiger (Holz-)bautechnik. Das ZukunftsBauHaus soll eine Größe von 6×4 Meter haben und von Gruppen (ab Sekundarstufe 1) unter Anleitung selbst errichtet werden. Der Bauprozess ist bereits Teil der Vermittlung, etwa wenn es um die historische Baupraxis des informellen gemeinschaftlichen Bauens aber auch des Genossenschaftbauwesens geht, eine Idee des 19. Jahrhunderts, die gegenwärtig neu interpretiert wird. Bei der Errichtung des Gebäudes erleben die Teilnehmenden ihre eigene Schaffenskraft und Teamleistung, erhalten aber auch einen Einblick z.B. in konstruktive Konzepte oder Zimmermannstechniken aus Vergangenheit und Gegenwart.

Der modular aufgebaute und mobil einsetzbare Bausatz des ZukunftsBauHauses kann auf einem Anhänger ohne Einsatz von Hebegerät oder Flurförderfahrzeugen transportiert werden. Das Gebäude ist standsicher und selbsttragend und kann sowohl im Innen- als auch Außenbereich eingesetzt werden. Angestrebt wird, dass das ZukunftsBauHaus auch ohne fachmännische Anleitung aufgebaut werden kann, so dass es sehr einfach z.B. an Schulen ausgeliehen werden kann.

Vervollständigt wird der Bausatz durch Wandelemente, Regalelemente, Whiteboards, Hocker, Bilderrahmen, Hängeschienen und eine Beleuchtungseinrichtung, mit dem das ZukunftsBauHaus individuell gestaltet und so zum selbstkuratierten Möglichkeitsraum bei längerer Projektdauer (z.B. Projektwoche an einer Schule) werden kann.

Das Vermittlungskonzept ZukunftsBauHaus

Wie das ZukunftsBauHaus soll auch das Vermittlungskonzept modular aufgebaut sein und für Variantenreichtum bei der Anwendung sorgen. Verschiedene Vermittlungsziele können differenziert angesteuert und ebenso verschiedene Zielgruppen angesprochen werden. Ausgangspunkt ist der Bau selbst und die damit verbundenen Themen. Das berücksichtigt dabei die vier Dimensionen der Nachhaltigkeit Ökologie, Ökonomie, Kultur und Soziales. Die Teilnehmenden lernen nachhaltige Baustoffe kennen, historische Holzbautechniken sowie bautechnische Entwicklungen der jüngeren Vergangenheit. Sie werden an die Lebens-, Arbeits- und Erfahrungswelt früherer Generationen auf herangeführt und beschäftigen sich etwa mit folgenden Fragestellungen: Wie können im Bereich Bauen und Wohnen die Lebensinteressen künftiger Generationen berücksichtigt werden? Welche Schritte auf dem Weg zu einem umweltgerechten Lebensstil sind für einzelne Menschen möglich? Wo kann das erzwungene, sparsame Wirtschaften der Vergangenheit als Anregung für die Gegenwart dienen?

Die optionale zweite Stufe des Vermittlungskonzeptes beinhaltet eine durch die Teilnehmenden im Rahmen eines Workshops co-kuratierte Ausstellung zum Thema „Zukunft Bauen“ im ZukunftsBauHaus. Dieses Konzept ist differenziert, so dass etwa jüngere Teilnehmende eine Ausstellung mit gemalten und gezeichneten Traumhäusern im ZukunftsBauHaus zeigen können und ältere Teilnehmende sich mit Fragen von Nachhaltigkeit oder Städtebau auseinandersetzen können.

Die dritte Stufe ist, das ZukunftsBauHaus frei als Möglichkeitsraum zu nutzen und eigenen Ideen und Konzept für die Interaktion mit dieser temporären Architektur zu entwickeln und umzusetzen. Jede Variante funktioniert sowohl vor Ort im Freilandmuseum auf dem dafür vorgesehenen Standort als auch an Schulen, Museen und Institutionen, welche den kompletten Bausatz des ZukunftsBauHauses mit Aufbauanleitung und Vermittlungskonzept ausleihen können.

Vermittlungsziele

  • Teilnehmende eignen sich grundlegende theoretische Kenntnisse und praktische Fertigkeiten zu den Themen Bauen und Konstruieren, Baumaterialien und Baukultur in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft an
  • Schülerinnen und Schüler erwerben grundlegende museologische Kenntnisse, indem sie selbständig eine Ausstellung kuratieren
  • Schülerinnen und Schüler erlangen Kenntnisse über geschlossene Kreisläufe, nachwachsende Rohstoffe, umweltgerechte Lebensstile, historische Praktiken und innovative Technologien.
  • Teilnehmende nehmen das historische Bauen und die Exponatgebäude als Kernbereich des Freilandmuseums wahr.
  • Teilnehmende erkennen wichtige Voraussetzungen für einstige landschaftsgebundene Bauen und setzen sich mit dem Bild von Heimat und der Entstehung regionaler Identität auseinander.
  • Die Teilnehmenden üben Schlüsselkompetenzen wie selbständiges Denken und Planen ein, sie machten die Erfahrung von Selbstwirksamkeit und haben Erfolgserlebnisse beim gemeinsamen Handeln.

Methoden

Um die Lernziele zu erreichen, werden je nach Stufe verschiedene, vorwiegend partizipative Methoden angewandt. Je nach Stufe sind diese stärker handlungs-, Schüler oder sachorientiert ausgerichtet. Lehrgespräche, Vorträge und der Einsatz von verschiedenen Medien sorgen für die erforderliche Sachorientierung. Mit eigenen Recherchen, entdeckendem Lernen an Übungsstationen und selbständiger Arbeit werden Eigenverantwortlichkeit und Persönlichkeitsentwicklung gefördert. Projektarbeit und Ergebnispräsentation, die bei der Umsetzung des dritten Bausteins zentral sind, zielen auf ganzheitliches Lernen ab.

Die Zielgruppen

  • Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe 1 und Sekundarstufe 2 aller Schularten im Rahmen von Projektunterricht, inklusive Deutschlernklassen (Jugendliche mit Migrationshintergrund)
  • Erwachsene, die aufgrund ihres spezifischen Interesses am Thema landschaftsgebundenes Bauen/Geschichte der Baukultur an einem Workshop teilnehmen
  • Gruppen von Jugendlichen und (jungen) Erwachsenen, die den ZukunftsBauHaus als Teambuilding-Event buchen

Evaluation

Die jeweiligen durchgeführten Workshops und die kuratierten Ausstellungen werden dokumentiert. Die TN werden vor dem Workshop mit einem Fragebogen zum Thema „Richtiges Bauen“ befragt. Zwei Wochen nach dem Workshop werden die TN erneut befragt und die Ergebnisse abgeglichen. Es soll evaluiert werden, ob es gelungen ist, die Vermittlungsziele, insbesondere die Reflektion über „richtiges“ Bauen, zu erreichen.

Tobias Hammerl, Dr. phil., M.A., geboren 1977, leitet seit 2020 das Freilandmuseum Oberpfalz. Er studierte Volkskunde, Scottish Ethnology, Geschichte und Kunstgeschichte an den Universitäten Regensburg und Edinburgh. Von 2006 bis 2019 war er Leiter des Stadtmuseums Abensberg. Er nahm in der Vergangenheit Lehraufträge an der Universität Passau wahr und war Gastdozent an der Universität Würzburg. Derzeit ist er Lehrbeauftragter am Lehrstuhl für Vergleichende Kulturwissenschaft an der Universität Regensburg. Seine Forschungsschwerpunkte sind Spiel-, Bild- und Sachkulturforschung sowie museologische Themen.