Projekt Pferdestallbaracke OKH 260/9

Die Pferdestallbaracke OKH 260/9 in situ als landwirtschaftliches Gebäude in Kollersried, Stadt Hemau, Landkreis Regensburg (Foto: Andreass Buss)
Die Pferdestallbaracke OKH 260/9 in situ als landwirtschaftliches Gebäude in Kollersried, Stadt Hemau, Landkreis Regensburg

Die Normbaracke Typ 260/9 OKH Pferdestall

„Das nationalsozialistische Ordnungssystem war geprägt durch die Unterbringung einer großen Zahl von Menschen in vielen unterschiedlichen Lagern. Neben den früh errichteten, großen und ‚repräsentativen‘ Kasernenstandorten der Wehrmacht und der Waffen-SS, die meist in Massivbauweise erbaut waren, war das typische Lager in Holzbauweise und nur für einen beschränkten Zeitraum errichtet – dies galt für Wehrmachts- und SS‑Lager ebenso wie für HJ– und BDM-Lager und RAD-Lager.“[1]

Entsprechend diesen Anforderungen entwickelte verschiedene NS-Dienststellen eine Reihe von genormten Barackentypen, etwa die bekannte RAD-Baracke. Diese Gebäude in Modulbauweise konnten schnell und materialsparenden hergestellt werden und waren durch die eingesetzten Steck- und Schraubverbindungen auch für den temporären Einsatz geeignet.

Ausschnitt Typenplan 260/9 OKH „Zerleg- und versetzbarer Pferdestall“
Ausschnitt Typenplan 260/9 OKH „Zerleg- und versetzbarer Pferdestall“, Konstruktionsbüro FOKORAD (Forschungs- und Konstruktionsgemeinschaft der Reichsleitung des Reichsarbeitsdienstes und der deutschen Holzbau-Konvention), 1940

Auch vom Oberkommando des Heeres (OKH) wurden genormte Baracken für militärische Zwecke entwickelt. Die gängigste war der Typ OKH 260 (mit oder ohne Fenster, Grundmaße 9,56 m × 4,50 m, Wandhöhe 2,65 m). Dieser Barackentyp fand beispielsweise Verwendung als Pferdestall, als Garage für Fahrzeuge und als Unterkunftsbaracke. Der Typ Pferdestall OKH 260/9 mit den Grundmaßen 9,56 m × 40,76 m war dabei auch für die Unterbringung von Kriegsgefangenen vorgesehen.

Mit der Einrichtung von Konzentrations- und Kriegsgefangenenlagern wurden die verschieden, genormten Barackentypen zur Unterbringung von Häftlingen genutzt. Diese wurden grundsätzlich in primitiven, schlecht oder gar nicht ausgestatteten Holzbaracken, die oftmals nicht oder nur sehr unzureichend gegen Kälte gedämmt waren, untergebracht.

Der Typ 260/9 Pferdestall fand als Teil der Lagerarchitektur, vor allem z.B. durch den Einsatz in Auschwitz-Birkenau, Buchenwald, Flossenbürg oder Groß-Rosen, auch Eingang in das kulturelle Gedächtnis der Shoa und ist die bauliche Entsprechung der Viehwagons, die die Menschen in die Lager brachten.

Blick auf Stalag 383, 1944. Deutlich sind die Baracken vom Typ 260/9im Vordergrund zu erkennen. (P00110.004, Australian War Memorial)
Blick auf Stalag 383, 1944. Deutlich sind die Baracken vom Typ 260/9 im Vordergrund zu erkennen. (P00110.004, Australian War Memorial)

Die Geschichte der Baracke Typ 260/9 Pferdestall aus Kollersried

Der Inhaber des Lehrstuhls für Architekturtheorie und Entwerfen an der Universität Kassel, Prof. Dipl.-Ing. Phillip Oswalt, hat dem Freilandmuseum Oberpfalz eine Pferdestallbaracke des Typs 260/9 OKH zum Erwerb angeboten. Diese Baracke stand ursprünglich auf dem Truppenübungsplatz Hohenfels und befand sich seit 1952 Jahren in Kollersried, Stadt Hemau, Landkreis Regensburg. Entdeckt hat dieses Gebäude der Architekturhistoriker Prof. Robert van Pelt, Ontario. Im Rahmen eines DAAD-Forschungsprojekts unter Leitung von Dr. Andreas Buss wurde die Baracke in Kollersried dokumentiert, abgebaut und eingelagert. Gleichzeitig fanden umfangreiche Archivrecherchen unter anderem im Bundesarchiv Koblenz und im Australien War Memorial statt.

Die in Kollersried aufgefundene Baracke Typ 260/9 stammt ursprünglich vom Truppenübungsplatz Hohenfels. Dieser wird in den im Stadtarchiv Hemau eingesehenen Akten als Herkunftsort von Barackenteilen benannt, die vor 1952 nach Hemau gelangten. Auch wird in diesem Zusammenhang das Vorhandensein der „Pferdestallbaracke“ auf dem Gelände der ehemaligen Ziegelei Hemau aktenkundig.

Im Zuge der Aufrüstung der Wehrmacht wurde 1938 der Truppenübungsplatz Hohenfels gegründet. Insgesamt 544 Anwesen wurden umgesiedelt und abgelöst. Bereits 1939 wurde dort ein erstes Kriegsgefangenenlager des Wehrkreises XIII eingerichtet, in welchem in erster Linie alliierte Soldaten, die bei Dünkirchen oder auf Kreta in Gefangenschaft geraten waren, interniert wurden. Im Laufe des Krieges wurden weitere Lager eingerichtet.

„Das erste Stammlager, das im September 1939 geöffnet wurde – Stalag XIIIA genannt – befand sich in Hohenfels in der Oberpfalz. Am 8. April 1941 wurde das Stalag XIIIA Hohenfels nach Sulzbach-Rosenberg versetzt. Im September 1941 kam das Lager Hohenfels unter die Verwaltung des Stammlagers VIIE Eichstätt und wurde bis im Juni 1942 als Offizierslager 78 benutzt, wo u.a. serbische Offiziere inhaftiert wurden. Von Oktober 1942 bis Juni 1943 war das Offizierlager gemäß der Quellenlage unter der Verwaltung des Stammlagers IIIC Lübben.86 Zuletzt wurde dann der Oflag wieder für Mannschaften genutzt und als Stalag 383 bis Ende des Krieges unter Verwaltung des Stalags VIIA in Moosburg eingesetzt.“[2]

In den Gefangenenlagern in Hohenfels/Unterrödenhart kamen mehrere Barackentypen zum Einsatz. Mindestens fünf Baracken des Typs 260/9 OKH waren innerhalb des umzäunten Bereichs des ehemaligen Stalag 383 vorhanden und wurden dort wohl nicht als Wohnunterkunft, sondern als Funktionsräume genutzt. Es ist davon auszugehen, dass die Baracke aus Kollersried ein Teil einer dieser fünf Baracken war. Eine der fünf Baracken wurde nach Bildquellen des Bundesarchivs Koblenz als Postbaracke genutzt, eine andere als Sportbaracke.

Kriegsgefangene in Stalag 383, Hohenfels vor einer Baracke Typ OKH 260/9
Kriegsgefangene in Stalag 383, Hohenfels vor einer Baracke Typ OKH 260/9. Allierten Gefangenen waren auch sportliche und kulturelle Aktivitäten erlaubt. (Foto: Australian War Memorial, P00110.041)

Die Bedingungen in den Lagern waren für einzelne Häftlingsgruppen sehr unterschiedlich. Während westalliierte Soldaten relativ gut behandelt wurden – es gab zumindest in Stalag 383 ein reges kulturelles und sportliches Leben, die überlieferten Bildquellen suggerieren eher den Eindruck eines Ferienlagers als den eines Gefangenenlagers – wurden etwa jüdische Häftlinge misshandelt. „Mehr als 500 Juden wurden im Winter 1940/1941 im Lager inhaftiert. Trotz unserer Beschwerden wurden die Juden von uns getrennt und in sogenannten Judenbaracken untergebracht, wo sie unter diskriminierenden Bedingungen leben mussten. Sie leisteten die schwersten Arbeiten, sei es bei niedrigen Temperaturen oder unter praller Sonne, auch sonntags und feiertags. Die Wachmänner beschimpften sie regelmäßig, so dass wir bei der Kommandantur mehrmals wegen Misshandlung und Übergriffen geklagt haben: Schläge, Hiebe, Ohrfeigen und Gewehrkolbenschläge gehörten zum Alltag dieser Kriegsgefangenen. Der Sonderführer hatte den Befehl gegeben, dass die Wachmänner, wenn nötig, berechtigt waren, die Juden zu schlagen.“[3]

1945 wurde Stalag 383 zum Camp für Displaced Persons umgewidmet und nach 1948/49 als Flüchtlingslager für Heimatvertriebene genutzt. Die Landgemeinde Hohenfels – Nainhof wuchs aufgrund des Zuzugs Vertriebener zu einer der größten Landgemeinden Bayerns an. 1951 beanspruchte die US-Army das Gelände und eine erneute Entsiedelung erfolgte. In diesem Zusammenhang dürfte die konkrete Baracke nach Hemau gekommen sein.

Translozierung und weitere Planung

Das Freilandmuseum Oberpfalz wird die abgebaute Baracke erwerben und in Kooperation mit dem Lehrstuhl für Architekturtheorie Kassel eine Planung für eine museale Präsentation auf dem Museumsgelände im Bereich der Nabburger Str. zu entwickeln.

Mit diesem Gebäude sollen im Freilandmuseum Oberpfalz folgende Inhalte dargestellt werden:

  1. Die Entwicklung der NS-Lagerarchitektur am Beispiel der Normbaracke Typ 260/9
  2. Die Geschichte des Truppenübungsplatz Hohenfels und das System der Kriegsgefangenlager (Oflags und Stalags) des Wehrkreis XIII in Hohenfels, Sulzbach-Rosenberg und Weiden sowie deren Außenlager, z.B. in Bernreuth und Parsberg
  3. Der Einsatz von Kriegsgefangenen in Gewerbe und Landwirtschaft in der Oberpfalz
  4. Die Konversion von militärischen Objekten zu zivilen Gebrauchsgütern in der Nachkriegszeit (z.B. Stahlhelm als Jaucheschöpfkelle, Panzerminengehäuse als Kochtopf, Wehrmachtsbaracke als landwirtschaftliche Maschinenhalle)

[1] http://neuengamme-ausstellungen.info/content/lagermodell/objekt29.html, Stand 24.08.2022.

[2] Woehrle, Christoph Lucien: Französische Kriegsgefangene in Franken im Zweiten Weltkrieg. Die oberfränkische Verwaltungsstadt Bamberg und die unterfränkische Industriestadt Schweinfurt im Vergleich. Bamberg 2022.

[3] Lefevre, Edmond: Témoignage. Centre de documentation juive contemporaine, CCCLXI-107, Ohne Datum, zitiert nach: Woehrle, Christoph Lucien: Französische Kriegsgefangene in Franken im Zweiten Weltkrieg. Die oberfränkische Verwaltungsstadt Bamberg und die unterfränkische Industriestadt Schweinfurt im Vergleich. Bamberg 2022., S. 37.

Tobias Hammerl, Dr. phil., M.A., geboren 1977, leitet seit 2020 das Freilandmuseum Oberpfalz. Er studierte Volkskunde, Scottish Ethnology, Geschichte und Kunstgeschichte an den Universitäten Regensburg und Edinburgh. Von 2006 bis 2019 war er Leiter des Stadtmuseums Abensberg. Er nahm in der Vergangenheit Lehraufträge an der Universität Passau wahr und war Gastdozent an der Universität Würzburg. Derzeit ist er Lehrbeauftragter am Lehrstuhl für Vergleichende Kulturwissenschaft an der Universität Regensburg. Seine Forschungsschwerpunkte sind Spiel-, Bild- und Sachkulturforschung sowie museologische Themen.

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